Mittwoch, 18. Oktober 2017

Die Lichter von Paris







  • Erscheinungsdatum Erstausgabe : 23.10.2017
  • Verlag : Insel Verlag
  • ISBN: 9783458363040
  • Flexibler Einband 387 Seiten
  • Genre: Roman
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„Auf Paris.“

... ist einer der letzten Sätze dieses Buch, aber ich verrate Euch natürlich nicht, wer ihn sagt.

Madeleine sollte eigentlich glücklich oder wenigstens zufrieden sein. Ihr Mann Phillip verdient gut, sie haben eine tolle Wohnung und sie arbeitet ehrenamtlich im Museum. Allerdings ist es nicht das Leben, was sie sich immer gewünscht hat. Sie wollte selber malen, statt Besuchern fremde Gemälde zu erklären, und eine liebvolle Ehe: „Wir küssten uns nicht zur Begrüßung oder zum Abschied, nicht mehr.“ (S. 18) Phillip ist ein Kontrollfreak: sie hat jung, schön und schlank zu sein. Er schreibt ihr jedes Kleidungsstück, jede Mahlzeit, jede Aktivität vor. Madeleine war immer passiv, fast schon unterwürfig, und als sie eine Kunstlehrerin kennenlernt und selber wieder malen will, tickt Phillip aus. Wenn sie „sein“ Leben nicht mehr will, könne sie sich ja scheiden lassen. Madeleine muss sich klar werden, was eine Scheidung bedeuten würde. „Ich würde in meine Heimatstadt zurückkehren müssen. ... um zwischen den Trümmern meines Lebens herumzuspazieren und in meinem Versagen zu schmoren.“ (S. 50). Sie nimmt sich eine Auszeit und fliegt zu ihrer Mutter. Beim Aufräumen des Dachbodens entdeckt sie die Tagebücher ihrer Großmutter Margie.
Die hat 1924 ein ganz ähnliches Problem. Mit Mitte 20 gilt sie als alte Jungfer, aber sie will auf keinen Fall heiraten, sondern Schriftstellerin werden. Sie hat bereits erfolgreich ein paar Gedichte und Kurzgeschichten veröffentlich, aber das zählt für ihre Eltern natürlich nicht. Margies Chance auf ein eigenes selbstbestimmtes Leben beginnt auf einer Reise nach Europa. Eigentlich soll sie ihre tyrannische jüngere Cousine Evelyn auf einer Rundreise begleiten, aber diese setzt sich bereits auf der ersten Station, in Paris, ab. Und plötzlich hat Margie Paris ganz für sich allein – bis sie Sebastien kennenlernt ...

Ich bin mit Madeleine lange nicht warm geworden. Sie war mir zu still, duldsam und wehleidig. Schon vor ihrer Heirat hat sie immer nur gemacht, was ihre Eltern wollten, sich danach Phillip untergeordnet und gibt jetzt ihrer Mutter für alles die Schuld. Erst durch Margies Tagebücher erwacht sie wieder zum Leben. Sie merkt, wie ähnlich ihre Ausgangslagen waren, nur dass Margie im Gegensatz zu ihr eine Kämpferin war. Und als sie wieder zu malen beginnt findet sie auch den Mut, ihren eigenen Willen durchzusetzen, ihren eigenen Weg zu finden. „... mein Leben hat in einer Warteschleife gesteckt, bis ich es wieder aufnahm.“ (S. 283) In einem hatte ihre Mutter nämlich Recht: „Was Dich von Deinem Glück abhält, ist nicht Deine Lage ... Das bist Du selbst.“ (S. 337)

Margie hingegen war mir von der ersten Zeile an sympathisch – eine unangepasste junge Frau, die eine eigene Kariere und nicht bloß Ehefrau sein will. Sie ergreift jede sich ihr bietende Chance, trotz ihrer Versagensängste. Gegen den Willen ihrer Eltern, ohne deren Unterstützung sucht sie sich ein Zimmer, einen Job und findet sauch noch die Liebe. Und Paris wird immer kleiner, je länger sie da ist. Margie ist glücklich – das erste Mal im Leben! „Das Zimmer gehörte ihr, Paris gehörte ihr, diese Leben gehörte ihr, endlich gehörte ihr Leben ihr.“ (S. 181)


Ausnehmend gut hat mir auch das Setting des Buches gefallen. Sehr anschaulich schildert Eleanor Brown die Lebensumstände der beiden Frauen. Ich habe mit Madeleine in ihrer kahlen Designerwohnung gefroren und hab im Garten ihrer Mutter den Rasen spüren und die Rosen riechen können. Und auch Paris wird bei den Schilderungen lebendig. Ich erinnere mich an meine Lieblingsplätze, erkenne sie wieder und schwelge in Erinnerungen. Das überbordende Leben der 1920er Jahre, die Künstlerszene, Margies Freunde – ich hätte das alles gern selbst erlebt. Aber halt, ich war ja mittendrin ...


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