Sonntag, 18. September 2016

Küstenbrut







  • Erscheinungsdatum Erstausgabe : 18.08.2016
  • Verlag : Emons Verlag
  • ISBN: 9783954519576
  • Flexibler Einband 224 Seiten
  • Genre: Krimi 

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Die Angst geht um

Die Ostseeküste ist eigentlich ein beschaulicher Ort, doch in Niederwiek geht die Angst um: Eine Frau wacht auf und bemerkt, dass sie nackt ist, gefesselt und nicht in ihrer Wohnung – und sie erkennt den Ort. Kurze Zeit später wird eben diese Frau, die Galeristin Dana Wolff, ermordet aufgefunden. In ihren Unterlagen findet der ermittelnde Polizist Bernd Mulsow die Visitenkarte seines Freundes Richard Gruben mit einer sehr persönlichen Widmung. Richard ist Kunsthistoriker, kann sich aber nicht an Dana erinnern. Trotzdem fährt er, auf Muslows Bitte hin, zu ihm und schaut sich in Danas Galerie um. Schnell ist klar, dass die Visitenkarte nicht für Dana war. Er kannte sie nicht. Aber woher hatte sie die dann und vor allem warum?
Danas Tochter Lena weiß oder ahnt zumindest, weswegen diese sterben musste. Aber sie sagt dies weder der Polizei noch der Patentante ihrer Mutter, bei der sie jetzt wohnt. Stattdessen verstrickt sie sich immer mehr in Widersprüche, erstickt fast an ihrer nackten Überlebensangst und trägt sich mit Fluchtgedanken.
Diese Gedanken sind neben den agierenden Ermittlern Mulsow und Gruben die Verbindung zu Anja Behns erstem Buch „Stumme Wasser“. Ihre Protagonisten sind getrieben von Angst und Schuld. Lena, weil sie um den Täter weiß. Gruben, weil auch sein neugeborener Sohn die Ehe nicht retten konnte und seine Frau ihn verlassen hat. Er wäre gern Vater, aber nicht Ehemann. Und dass seine Frau neben ihm auch gleich noch die Stadt verlassen hat, macht es ihm nicht gerade leichter. Er nutzt diese Auszeit vom Alltag, um über sein Leben zu sinnieren, zu sich selbst zu finden. Er ist zerrissen, von Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen geplagt. Dadurch verliert er den Fall immer wieder aus dem Auge, nimmt wichtige Hinweise zu spät wahr.
Anja Behns Protagonisten sind „normale“ Menschen von nebenan, sehr authentisch, angetrieben von Angst, Zügellosigkeit, Rache, Wut und Gier. Die Ermittler sind kein CSI-Team, sondern ein Kunstexperte auf Selbstfindungskurs und ein mit dem Fall etwas überforderter Polizist. Aber beide sind echte Freunde, führen Männergespräche und wirken dadurch sehr realistisch.

„Küstenbrut“ hat mir von Beginn an Gänsehaut beschert. Die Handlung ist unheimlich dicht und die Brutalität, mit welcher der Täter vorgeht, jagte mir Schauer über den Rücken. Das Buch ist im Gegensatz zu „Stumme Wasser“ definitiv nichts für schwache Nerven. Zum Ende hin musste mir meine Freundin sogar virtuell die Hand halten. Es ist sehr erschütternd und aufwühlend, für mich geht es schon fast in Richtung Thriller. Wobei ich dazu sagen muss, dass die Taten nicht wortwörtlich beschrieben werden, die Andeutungen sind anschaulich genug. Ich bin ja eher zartbesaitet und hätte vielleicht eine weniger brutale Inszenierung bevorzugt.
Dafür war ist Atmosphäre sehr gut: die Angst (erst von Dana, dann von Lena) und die Ungewissheit der Ermittler werden sehr eindrucksvoll beschrieben.
Ein weiterer Pluspunkt ist das Ostseeflair: ein Großteil der Handlung spielt auf einem Erdbeerhof – ich habe sofort die Parallele zum Marktführer erkannt ;-), dadurch kam auch gleich Urlaubsfeeling auf und man hatte die entsprechenden Bilder im Kopf.
Und wie schon bei „Stumme Wasser“ habe ich auch hier bis zu Ende miträtseln können, wer denn der Täter ist und wie alles zusammenhängt. Meine vorherigen Vermutungen zerschlugen sich meist sofort wieder - extrem spannend.

Mein Fazit: Obwohl mir „Küstenbrut“ stellenweise etwas zu hardcore war, würde ich jederzeit den nächsten Band mit Richard Gruben und Bernd Mulsow lesen.

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