- Erscheinungsdatum Erstausgabe : 22.04.2017
- Verlag : ROWOHLT Wunderlich
- ISBN: 9783805251341
- Fester Einband 480 Seiten
- Genre: Roman, Krimi, Historischer Roman
Frankreichs ungewollte Kinder
Delphine Gueron war bis zu
ihrer Pensionierung bei der Pariser Polizei. Jetzt lebt sie wieder in ihrem
Heimatort, in der Nähe von Biarritz. Als sie eines Tages den 15jährigen Karim
beim Einbruch in ihren Schuppen überrascht, handelt sie Wiedergutmachung aus –
als „Strafarbeit“ soll er ihr im Garten und Haushalt helfen. Karim hat es so
schon schwer genug. Sein Vater, ein Algerier, hat sich vor Jahren abgesetzt.
Wegen ihm wird Karim ständig von seinen Mitschülern drangsaliert.
Durch Delphine lernt er auch
die betagte Aurélie de Montvignon kennen. Delphine und Aurélie kennen sich
schon ewig. Sie treffen sich jeden Dienstag im Hôtel Atlantique zum Tee.
Die beiden Frauen wollen
Karim neben der Gartenarbeit auch eine ordentliche Bildung angedeihen lassen.
Sie führen ihn in Museen, lassen ihn Weltliteratur lesen, werden Freunde.
Eines Diensttags erscheint
Aurélie allerdings nicht pünktlich zum Tee. Sie ist vom Balkon gestürzt. Ein
Unfall – vielleicht ein Schwächeanfall – meint die Polizei. Doch Delphine sieht
es anders, denn ihre Freundin hat sie kurz zuvor gebeten, im Falle ihres
Ablebens regelmäßig nach ihrem Anwesen zu sehen und sie war nicht krank ...
Auch Richard
Lebrun, eine Art jüngerer Zieh-Bruder von Aurélie, scheint nicht an einen
natürlichen Tod zu glauben. Aber er ist ein sehr introvertierter Mensch und
will sich nicht gegen die Einschätzung der Polizei wehren. Außerdem scheint er
etwas zu wissen, was er unbedingt verheimlichen möchte – warum?!
„Hôtel Atlantique“ hat mich
sehr erschüttert. Was als beschaulicher Roman über die Freundschaft zweier
älterer Damen mit viel französischem Flair beginnt, wird zu einem Krimi vor dem
Hintergrund der deutsch-französischen Vergangenheit.
Neben den Ermittlungen zu
Aurélies Tod geht es um die Schicksale der Kinder, die französische Frauen im
2. WK von Nazis bekamen bzw. in der heutigen Zeit von algerischen Einwanderern.
Obwohl so viele Jahre zwischen diesen Schicksalen liegen, verbindet sie das
„Ausgestoßensein“, die Verachtung der Nachbarn, Mitschüler oder Einheimischen. Valerie
Jakob setzt sich damit auseinander, wie die Kinder diese Erfahrungen (später)
verarbeiten. Kommen sie überhaupt je darüber hinweg? Letztendlich können sie
als Produkte der Liebe ja am wenigsten für ihre Situation. „Es
ist echt eine Tragödie. Auf allen Seiten nur Opfer.“ (S. 473)
Delphine ist eine sehr taffe
Frau. Sie und Aurélie verband eine lebenslange Freundschaft, deshalb kann sie
sich mit dem angeblichen Unfall nicht abfinden. Ihre gute Menschenkenntnis
bringt sie dazu, Karim nach seinem Einbruchsversuch nicht anzuzeigen, sonst
landet er nur endgültig auf der schiefen Bahn. Sie setzt es sich zur Aufgabe,
wenigstens diesen einen Jugendlichen vor seinem scheinbar vorgezeichneten Leben
als Kleinkriminellem zu retten.
Karim lebt schon lange hier,
aber er ist immer noch der Fremde. Er wird von seinen Mitschülern regelmäßig
verhöhnt und verprügelt . Wenn er seine Ruhe haben will, flüchtet er sich an
seinen geheimen Platz, eine Höhle in der Steilküste „Es war, wie auf einem anderen
Planeten zu sein, weit weg von allen Problemen und Blödmännern ...“ (S.
89)
Das Buch ist trotz der sich
eher gemächlich entwickelnden Krimihandlung sehr spannend. Bei der Aufklärung
des Mordes kommen viele weitere dramatische Geheimnisse und Verdächtige ans
Licht.
In tollen Bildern beschreibt
die Autorin die örtlichen Gegebenheiten und setzt dabei auch die Personen
anschaulich in Szene.
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