Donnerstag, 3. August 2017

Ein angesehener Mann






  • Erscheinungsdatum Erstausgabe : 10.07.2017
  • Verlag : Heyne
  • ISBN: 9783453421738
  • Flexibler Einband
  • Genre: Historischer Krimi 
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Der indische Sherlock Holmes und Dr. Watson

Kalkutta 1919: Capitain Sam Wyndham ist erst wenige Tage in Indien, als er zu seinem ersten Tatort gerufen wird. Im Hinterhof eines Bordells in einer wirklich miesen Gegend wird ein Mann im Smoking mit durchgeschnittener Kehle gefunden. Der Tote ist Alexander MacAuley, der persönlicher Berater des Lieutnant-Governors, und hat einen Zettel im Mund. „Keine weiteren Warnungen. Englisches Blut wird durch die Straßen strömen. Raus aus Indien.“ (S. 12) Der Mord scheint also politisch motiviert gewesen zu sein und Wyndham muss sich in dem brisanten politischen Geschehen zurechtfinden und den Spagat zwischen Polizei, Geheimdienst und Militär bewerkstelligen.

„Ein angesehener Mann“ ist sehr spannend, farbenprächtig, bildreich und atmosphärisch. Ich habe Kalkutta fast sehen und fühlen können und schon beim Lesen geschwitzt. Auch der herrlich britische, zum Teil sarkastische und trockene Humor hat mir sehr gut gefallen.

Wyndham ist der typische Anti-Held und tat mir vor allem leid. Er hat im ersten WK seine Frau, seine Familie und den größten Teil seiner Freunde verloren. Zudem ist dank einer Verletzung opiumabhängig – was natürlich niemand wissen darf.
Dazu kommt, dass er bisher niemanden aus seiner Behörde oder gar seinem Team kennt und nicht weiß, wem er wirklich trauen kann. Sein Vorgesetzter, Lord Taggart, dreht sein Fähnchen nach dem Wind und Wyndhams Untergebener Digby scheint gegen ihn zu intrigieren. Nur Sergeant Banerjee, sein „Laufbursche“, ist von Beginn an sympathisch und loyal. Und dann ist da noch Miss Grant, die Sekretärin des Toten. Sie scheint mit Wyndham zu flirten – aber auf welcher Seite steht sie, wenn es hart auf hart kommt?

Besonders hervorheben möchte ich die geschickt in die Handlung verflochtenen realen geschichtlichen Hintergründe. So fand ich es z.B. erschreckend, dass 150.000 Briten über 300 Mio. Inder herrschten – und das hauptsächlich durch moralische Überlegenheit. Auch das komplizierte Kastensystem und die Problematik der „Mischlinge“ (halb Inder halb Britten) wird durchleuchtet.

Obwohl das Buch weitestgehend spannend ist, gibt es gerade gegen Ende auch einige langatmige Stellen.
Aber: Wyndham und Banerjee haben echt das Zeug zur indischen Variante von Sherlock Holmes und Dr. Watson! Etwas verschroben, mit einem extrem trockenen Humor und der Gabe, auch in den verzwicktesten Fällen den Überblick zu behalten. Ich freue mich auf die angekündigte Fortsetzung.
Ein Tipp für alle Fans von „Death in Paradise“. Ich könnte mir das Buch auch gut verfilmt vorstellen.


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