- Erscheinungsdatum Erstausgabe : 06.09.2017
- Verlag : Gmeiner-Verlag
- ISBN: 9783839221242
- Flexibler Einband
- Genre: Biographischer Kriminalroman
Gegen jede Vernunft
„Verrückt vor
Liebe“ wäre Grete Beier gewesen, ihre Mutter intrigant und der Vater nicht
durchsetzungsfähig, meinten die Prozessbeobachter und Reporter. 1908 wird sie
als Letzte im Königreich Sachsen hingerichtet.
Kathrin Hankes Buch
hat mich beeindruckt. Von vornherein ist klar, dass Grete am Ende hingerichtet
wird, auch wofür wird schon im Prolog erklärt – also müsste man es ja
eigentlich nicht mehr lesen - und trotzdem hat es die Autorin geschafft, mich
über knapp 250 Seiten zu fesseln. Es ist wie bei einem Unfall, man sieht das
Unheil kommen und kann nicht wegsehen oder es verhindern.
Grete ist 19, als
sie 1905 auf einer Faschingsparty Hans (Johannes Merker) kennenlernt. Er ist so
ganz anders als ihre bisherigen Verehrer, kommt aus der Arbeiterklasse (sie ist
die Tochter des Bürgermeisters) und fasziniert sie durch seine forsche Art. Er
umwirbt sie und macht schnell Nägel mit Köpfen, verlobt sich heimlich mit ihr,
bittet sie immer wieder um Geld. Jedem außer ihr wird bald klar, dass er es vor
allem auf ihre Mitgift abgesehen hat, aber sie ist ihm verfallen. Als sie sich
nach der ersten Phase der Verliebtheit überwerfen, verlobt sich Grete standesgemäß
mit Carl Preßler. Warum, weiß sie allerdings selbst nicht so genau. Um ihrer
lieblosen herrischen Mutter zu entfliehen, es Hans heimzuzahlen oder einfach,
um abgesichert zu sein? Später will sie die Verlobung lösen, doch Carl und ihre
Eltern verhindern dies. Hans nutzt diese verzwickte Situation aus und bringt
sie durch eine Spirale aus Erpressung und sexueller Abhängigkeit dazu, eine
„endgültige Lösung“ für Carl zu suchen und zu finden ...
Grete erscheint von
Beginn an sehr zwiegespalten, noch keine gefestigte Persönlichkeit zu sein. Sie
flirtet gern, hat bereits Erfahrungen mit Männern – ich war erstaunt, wie
fortschrittlich sie in dieser Hinsicht war – und tut sehr abgebrüht, ist aber
gleichzeitig recht naiv. Sowohl Hans als auch Carl nutzen diese Naivität aus.
Ersterer, um immer wieder Geld von ihr zu bekommen, letzterer, um sie mit der
Verlobung regelrecht zu überrumpeln und vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sie
ist zwischen beiden Männern und auch dem Pflichtgefühl ihrem inzwischen schwer
erkrankten Vater so hin- und hergerissen, dass sie sich in zwei Extreme
steigert: die Liebe zu Hans und den Hass zu Carl.
Hans ist ganz klar
ein Frauenheld und Mitgiftjäger. Er spekuliert auf eine reiche Braut und egal
wie oft er sie enttäuscht, sie kann nicht von ihm lassen. Gegen jede Vernunft.
Was sich Carl eigentlich
von der Ehe mit Grete erwartet, bleibt sehr nebulös. Er ist zwar nicht so reich
wie Gretes Vater, hat aber ein gutes Auskommen. Auch wandelt sich sein
Verhalten ihr gegenüber immer wieder nach Lust und Laune. War er letzten Endes
ebenfalls nur ein Mitgiftjäger oder fand er es toll, sie immer mehr in eine
Rolle zu pressen, die sie gar nicht wollte und sie zu demütigen?
Ich hätte mir beim
Lesen sämtliche Protagonisten gern mal zur Brust genommen. Grete, weil sie nie
einen Rat befolgte; ihre beiden Verlobten, weil sie nur sich selbst sahen; ihre
Mutter, weil sie ihre Liebe zu Grete nicht zeigen konnte und hinter
ungewöhnlicher Härte versteckte und ihren Vater, weil er sich irgendwann nur
noch um sich sorgte. Letztendlich waren sie dadurch alle Schuld an dem Mord,
doch nur Grete musste dafür büßen (und der Tote natürlich).
„Die Giftmörderin Grete Beier“ ist in meinen Augen nicht einfach nur ein auf historischen Tatsachen beruhender Roman,
sondern eine psychologische Fallstudie. Spannend und aufwühlend regt er zum
Nachdenken an.
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