Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung
Die nächste Generation
Lotte ist vor 11 Jahren mit ihren Eltern nach Amerika emigriert, weil ihr Vater Jude ist. Doch nach Ausbruch des 2. Weltkrieges kann sie nicht still dessen Ende abwarten, sondern arbeitet für eine Schweizer Hilfsorganisation. „Sie brauchte eine Aufgabe, keine Abhängigkeit.“ (S. 19) Bei einem Einsatz stürzt sie mit dem Flugzeug ab und kann sich nach München zu ihren Großeltern Antonia und Melchior retten, die das Brücknerbräu betreiben. Die Wiedersehensfreude ist groß, aber das Erschrecken und die Angst noch größer. Auf einmal ist sie keine Zuschauerin mehr, sondern mittendrin, bibbert bei jedem Fliegeralarm und erlebt die Zerstörung hautnah. „Es fühlte sich sonderbar an, dem Krieg auf einmal so nahe zu sein, den sie bisher nur aus den Kinonachrichten gekannt hatte.“ (S. 41) Ihre Großeltern machen ihr klar, dass sie als Halbjüdin in doppelter Gefahr schwebt. Neue Kleider müssen her, ein neuer Ausweis, eine neue Biografie …
„Das Vermächtnis“ ist der dritte Teil der Brauhaussage von Julia Freidank und für mich der bisher beste Band der Reihe, ein absolutes Lesehighlight. Von Beginn an fiebere ich mit Lotte mit, die nicht nur überleben, sondern auch das Brauhaus führen will. Ihre Großeltern haben einen Generaldirektor eingesetzt, der sich auch dank Parteimitgliedschaft schon als deren Nachfolger wähnte und Lotte schnell wieder loswerden will. Auch dem Blockwart ist sie mit ihrer freien, unangepassten Art ein Dorn im Auge – so benimmt sich kein deutsches Mädel! Sie ist sehr mutig und engagiert, manchmal zu voreilig. „Das Mundwerk hast du von deiner Mutter und den Leichtsinn von deinem Vater. Am liebsten würde ich dich auf dem Dachboden verstecken, bis der Krieg vorbei ist.“ (S. 42) Und sie findet immer wieder Schlupfwinkel, wenn ihnen das Brauen aufgrund einer Verordnung verboten wird.
Ihre beste Freundin wird Hermine, die Tochter eines befreundeten Molkereibesitzers aus Berlin, die auch bei den Bruckners untergekommen ist. Sie hat genauso viele Flausen im Kopf wie Lotte und ihre Berliner Schnauze hat mich köstlich amüsiert. Die beiden jungen Frauen sind ein tolles Gespann und müssen in dieser Zeit schnell erwachsen werden.
Dann verliebt sich Lotte in den Physikstudent Gero von Stetten, der für ein geheimes Projekt arbeitet, von dem nicht mal er alles weiß. Haben sie wirklich eine Chance? „Wenn Du wüsstest, wer ich wirklich bin, würdest du mich hassen.“ (S. 204)
Obwohl ich schon einige Bücher über München in der damaligen Zeit gelesene habe, konnte Julia Freidank mir noch neues Wissen vermitteln. Dabei zeichnet sie ein sehr lebendiges Bild und schreibt extrem mitreißend. Durch die vielen historischen Details wie die Judenverfolgung, den Lebensborn e.V., den Volkssturm und die Besatzungszeit inkl. GIs, das Fraternisierungsverbot und die Rassengesetze in den USA bleibt die Handlung bis zum Schluss extrem spannend und abwechslungsreich.
Und natürlich erfährt man wieder viel übers Bierbrauen …
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