Vom Kriegsheimkehrer zum Kommissar
„Gehen Sie nur schon rein. Bin sogleich zurück.“ (S. 20) Als Max Heller 1917 nach Monaten in Lazaretten endlich aus dem Krieg heimkehrt, erkennt ihn nicht mal seine eigene Mutter. Er ist 21, desillusioniert und perspektivlos und sieht sich mit den stillen Vorwürfen seines Vaters und seiner Mitmenschen konfrontiert, dass seine Verletzung am Fuß, die ihn sein ganzes Leben lang beeinträchtigen und Schmerzen bereiten wird, ja nicht so schlimm sei. „Sein Fuß sah aus, als wäre er ins Maul eines Löwen geraten. Ein Klumpen, der mehr Übel mit sich brachte als Nutzen.“ (S. 22) Dazu kommt ein nicht diagnostiziertes Trauma, weil er im Schützengraben verschüttet wurde. „… er war gefangen, als hätte man ihn in Beton eingegossen, eingeschlossen in eine tiefe Gruft, in der niemand ihn jemals finden würde, verschwunden, ausgelöscht, als hätte es ihn nie gegeben.“ (S. 7) Noch jahrelang wird er, zum Glück irgendwann seltener, nachts in seinen Albträumen gefangen schreien, bis ihn jemand weckt, und Keller o.ä. nur unter größten Schwierigkeiten betreten können. Manchmal fragt er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er den Granatenangriff nicht überlebt hätte.
Doch jetzt ist er zurück in Dresden und braucht eine Zukunft. Der kleine Krämerladen seiner Eltern kann die zwei kaum ernähren, für ihn reicht es schon gar nicht. Seine Freunde sind tot oder vermisst, eine Arbeit findet er mit seinem Fuß nicht. Als ihm ein Lieferant seiner Eltern ein nicht ganz legales Angebot macht, schlägt er zu, verspricht es doch schnelles Geld und Unabhängigkeit. Aber lässt sich der Job auch mit seinem Gewissen vereinbaren?
Dann kehrt sein Freund Armin aus russischer Kriegsgefangenschaft heim. Endlich hat Max jemanden an seiner Seite, der das gleiche erlebt hat und ihn versteht. Zusammen versuchen sie, das Verpasste nachzuholen. Dazu gehören auch Frauenbekanntschaften. Doch als sich Max ausgerechnet in die Fabrikantentochter Karin verliebt, scheint ihre Beziehung wegen der Standesunterschiede undenkbar.
Außerdem trifft er sein Großvater Gustav Heller wieder, Geheimrat und Kriminalrat a.D., zu dem er über 10 Jahre keinen Kontakt mehr hatte und der Max jetzt unauffällig zu lenken versucht.
Frank Goldammer erzählt in „In Zeiten des Verbrechens“, wie Max und Karin zu den Menschen werden, die sie später in der Max-Heller-Krimireihe sind. Und ich muss zugegeben, dass mir an einer Stelle sogar die Tränen gekommen sind, weil dieser Teil der Geschichte so ergreifend war. Das Buch ist eine sehr gelungene Mischung aus Krimi und Roman, wobei sich die Genre innerhalb der Handlung abwechseln bzw. nacheinander passieren.
Max hat mit Anfang 20 schon genug Schreckliches für mehr als ein Leben erfahren und trägt schwer an der Schuld, die er im Krieg auf sich geladen hat. Er ist aufbrausend und wird schnell wütend, kann sich dann nicht bremsen. Aber er hat auch hohe moralische Werte, erträgt keine Ungerechtigkeit und sieht nicht weg, wenn jemand Hilfe braucht. Außerdem hat er einen Dickschädel, ist stur, neugierig und intelligent. Das bringt Kommissar Pohl dazu, ihm die Polizeiarbeit schmackhaft zu machen, zumal Max in eine paar Kriminalfälle stolpert und aktiv bei deren Lösung hilft. Besonders hat mir da die Referenz zum Einbruch im Grünen Gewölbe gefallen.
Karin ist seine perfekte Ergänzung. Sie ist forsch und direkt, mag klare und ehrliche Worte, während er oft rumeiert. Und sie hat keine Standesdünkel, sondern steht zu ihrer Liebe, stellt sich dafür sogar mutig gegen ihren Vater.
Wie immer hat Frank Goldammer auch das Setting hervorragend gewählt. Max lebt in einer unruhigen Zeit voller politischer und wirtschaftlicher Umbrüche, erlebt den Versailler Vertrag und die Hyperinflation. Das beeinflusst auch seine Lebenssituation. Mir hat gefallen, dass er schon damals politisch unabhängig bleibt und auf der Seite der kleinen Leute und Unschuldigen steht – Wahrheit und Gerechtigkeit schlägt Politik. „… der Mensch wird unschuldig, geboren, und oft sind es die Umstände, die ihn zu dem machen, was er dann ist. … Durch den Krieg zur Waise gemacht. Durch die Not zum Verbrecher geworden.“ (S. 236)
Besonders freue ich mich, in den Büchern durch meine Heimatstadt zu wandeln. Ich kenne jede der erwähnten Straße und habe sogar eine Vorstellung, in welchem Haus Max Eltern ihren Laden und die Wohnung hatten.
5 Sterne für dieses Lesehighlight!
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