„Du bist eine Frau, Luise. Zu viel geschäftliche Einsatz ziemt sich nicht für dein Geschlecht.“ (S. 14) Als Luises Mann 1932 stirbt, bleibt sie mit einem großen Haus, zwei kleinen Kindern und einer bankrotten Holzhandlung zurück. Als Freunde ihr raten, ein eigenes Geschäft zu eröffnen, gründet sie eine Näherei für Berufsbekleidung, weil die immer gebraucht wird und im Obergeschoss des Hauses betrieben werden kann. Der Plan geht auf, auch wenn sie im 2. WK Krieg Uniformen statt Arbeitsanzügen nähen müssen. Doch nach 1945 weiß auch Luise nicht mehr weiter, da tauchen die ersten Soldaten in Levi‘s auf …
Pia Rosenberger erzählt 20 Jahre deutsche Geschichte und wie die (Mustang) Jeans nach Deutschland kam, dabei orientiert sie sich an der wahren Geschichte der L. Hermann Bekleidungswerke Künzelsau. Sie beschreibt diese Jahre so emotional und fesselnd aus verschiedenen Blickwinkeln, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und an nur 2 Tagen gelesen habe.
Luise ist eine pragmatische, herzensgute Frau, die niemandem abweisen kann. Ihr Haus entwickelt sich schnell zum Sammelbecken bunter Vögel. Neben ihrer Tochter Erika und ihrem Sohn Rudolf lebt hier auch die Haushälterin Marga mit ihrer Tochter Lia. Marga äußert sich nie zu Lias Vater und Luise fragt nicht nach. Als sie die Näherei eröffnen, stellen sie einen Herrenschneider ein – Paul Falbe, einen ewigen Junggesellen mit einem pikanten Geheimnis.
Die drei Kinder wachsen wie Geschwister auf, Erika und Lia werden beste Freundinnen. Leider hat Erika weder das Talent noch Lust dazu, sich in die Schneiderei einzuarbeiten, dafür überrascht Lia alle mit ihrer Kreativität und ihrem treffsicheren Geschmack. Doch als sie eine jugendliche Dummheit begeht, wird sie nach Berlin in Sicherheit gebracht. Dadurch bekommt man einen sehr guten Einblick, wie unterschiedlich sich der Krieg im beschaulichen Baden-Württemberg und in Berlin „anfühlte“.
Erika erleidet einen herben Verlust, als ihre Jugendliebe Martin, ein Jude, aus Deutschland fliehen muss.
In „Wir Frauen aus der Villa Hermann“ geht es um Menschlichkeit, Mitgefühl und Zusammenhalt. Die Geschichte zeigt, dass man auch in dunkelsten Zeiten für seine Ideale und Überzeugungen einstehen sollte. „Die Dinge, die wir tun, sind so geheim, dass wir sie selbst nicht wissen dürfen.“ (S. 147) Heimlich und unabhängig voneinander engagieren sich alle 4 Frauen für Verfolgte und unterstützen z.B. jüdische Mitbürger, obwohl sie sich damit selber in Gefahr bringen.
Aber sie zeigt auch, wie anpassungsfähig, kreativ und vorausschauend die Frauen waren, dass sie sich nie von den äußeren Umständen unterkriegen ließen, wie sie die Jeans nach Deutschland holten und dabei neben dem geschäftlichen auch ihr privates Glück fanden. Ein absolutes #Lesehighlight!
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