Donnerstag, 5. Januar 2017

Unsere Hälfte des Himmels





  • Erscheinungsdatum Erstausgabe : 06.01.2017
  • Verlag : Knaur Taschenbuch
  • ISBN: 9783426519011
  • Flexibler Einband 450 Seiten
  • Sprache: Deutsch 

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Gemeinsam stürmen wir den Himmel

Kassel 1971: Liselotte ist einsam in ihrer lieblosen Ehe – ihrem Mann im wahrsten Sinne des Wortes in allem Untertan. Da sie sich bereits von ihrer Mutter nicht angenommen fühlte, kennt sie es nicht anders und glaubt, es nicht besser verdient zu haben. Sie hat vor allem Angst, auch vor dem Alleinsein, also bleibt sie lieber verheiratet „Bin ich nur einen Ehemann entfernt von der Einsamkeit?“ S. 146 – Nichts kann ihre Trost- und Hoffnungslosigkeit besser beschreiben als dieser Satz.
Als ihre Mutter Amelie nach einem Unfall im Koma liegt, muss Lieselotte allein nach Frankfurt fahren – für sie in der damalige Zeit kaum vorstellbar. Um ihre Mutter im Koma zu erreichen, soll Liselotte ihr Dinge aus der Vergangenheit erzählen. Da sie so gut wie nichts darüber weiß, nicht einmal den Namen ihres Vaters kennt, beginnt sie in Amelies Sachen zu suchen und lernt eine völlig neue Seite ihrer Mutter kennen.

Frankfurt 1935: Eine Gruppe junger Frauen hat eine gemeinsame Leidenschaft – das Segelfliegen. Und obwohl es eigentlich unmöglich ist, hoffen sie, Berufspilotinnen zu werden. Vor allem die extrem willensstarke Johanna und ihr „Schatten“, ihr „Albatros“ Amelie kämpfen für diesen Traum. Doch dann verliebt sich Amelie in Johannas Fluglehrer und muss sich entscheiden – „Luft (Fliegen) oder Liebe?!“. „Das ist das Schwierige mit Entscheidungen. ... Man weiß nie, ob man mit der Alternative nicht glücklicher geworden wäre.“ S. 249
Als das Schicksal ihr die Entscheidung abnimmt, sinnt Johanna auf Rache. Sie kann nicht verstehen, dass Amelie aus ihrem Schatten getreten ist, in dem sie all die Jahre – im Leben und auf Fotos – gestanden hat!

Ich bin mit Liselotte und Amelie nicht gleich warm geworden, hätte sie ab und an gern schütteln mögen. Sie erschienen mir als Frauen ohne Rückgrat, die anscheinend immer den leichteren Weg wählen. Amelie ordnet sich ihrer herrischen Freundin, der strahlenden Anführerin Johanna, in allem unter, lässt sich von ihr moralisch unter Druck setzen und gibt deren Launen immer wieder nach. Erst die Liebe zwingt sie irgendwann zur Abnabelung und Eigenständigkeit.
Ihre Tochter Liselotte ist zu Beginn regelrecht abgestumpft. Sie fühlt sich in ihrer Ehe überhaupt nicht wohl, will das aber auch nicht ändern - denn diese bietet ihr wenigstens Sicherheit. Dass sie mit der Ehe die Kontrolle über ihr Leben komplett an ihren Ehemann abgetreten hat, hat mich echt schockiert. Er durfte ja wirklich alles für sie entscheiden – das ist für mich unvorstellbar! Ich bin in der DDR geboren und aufgewachsen. Bei uns war es normal, dass auch die Frauen arbeiten gingen, eigenes Geld verdienten und eigene Konten hatten. Im Gegenteil, bei uns war es eine Seltenheit, dass eine Frau „nur Hausfrau“ war. Ich kann mich nicht erinnern, dass es sowas in meiner Umgebung überhaupt gab.
Aber je tiefer man in die Geschichte eindringt, desto besser versteht man ihre Beweggründe und empfindet tiefes Mitleid für sie. Die Protagnistinnen fangen an sich zu fragen, was sie sich im Leben eigentlich erträumt oder erhofft hatten und ob es dafür wirklich schon zu spät ist. „Nicht einmal der Himmel ist mir geblieben.“ S. 404

Das Frauenbild im beginnenden Nationalsozialismus und der BRD in den 70er Jahren zeigt erschreckende Parallelen: für die meisten Männer gehörten Frauen anscheinend barfuß und schwanger an den Herd! Zum Glück gab es immer wieder Frauen, die sich diesen Vorstellungen nicht unterordnen wollten, sondern für ihre Freiheit und Ideale kämpften.

Die Erzählstränge verlaufen parallel 1935 und 1971. Erzählt wird die Geschichte von Amelie und Liselotte – Mutter und Tochter, die einander so fremd sind. Sie ist extrem spannend und mitreißend, man fiebert dem nächsten aufzudeckenden Geheimnis geradezu entgegen. Und so ganz nebenbei hat die Autorin spannende Fakten zum Thema „fliegende Frauen“ eingebaut.

Wer spannende Familiengeheimnisse vor historischer Kulisse mag, wird „Unsere Hälfte des Himmels“ lieben. 5 Sterne und meine unbedingte Leseempfehlung.

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