- Erscheinungsdatum Erstausgabe : 06.01.2017
- Verlag : Knaur Taschenbuch
- ISBN: 9783426519011
- Flexibler Einband 450 Seiten
- Sprache: Deutsch
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Gemeinsam stürmen wir den Himmel
Kassel 1971: Liselotte ist
einsam in ihrer lieblosen Ehe – ihrem Mann im wahrsten Sinne des Wortes in
allem Untertan. Da sie sich bereits von ihrer Mutter nicht angenommen fühlte, kennt
sie es nicht anders und glaubt, es nicht besser verdient zu haben. Sie hat vor
allem Angst, auch vor dem Alleinsein, also bleibt sie lieber verheiratet „Bin ich nur einen Ehemann entfernt von der
Einsamkeit?“ S. 146 – Nichts kann ihre Trost- und Hoffnungslosigkeit besser
beschreiben als dieser Satz.
Als ihre Mutter Amelie nach
einem Unfall im Koma liegt, muss Lieselotte allein nach Frankfurt fahren – für
sie in der damalige Zeit kaum vorstellbar. Um ihre Mutter im Koma zu erreichen,
soll Liselotte ihr Dinge aus der Vergangenheit erzählen. Da sie so gut wie
nichts darüber weiß, nicht einmal den Namen ihres Vaters kennt, beginnt sie in Amelies
Sachen zu suchen und lernt eine völlig neue Seite ihrer Mutter kennen.
Frankfurt 1935: Eine Gruppe
junger Frauen hat eine gemeinsame Leidenschaft – das Segelfliegen. Und obwohl es
eigentlich unmöglich ist, hoffen sie, Berufspilotinnen zu werden. Vor allem die
extrem willensstarke Johanna und ihr „Schatten“, ihr „Albatros“ Amelie kämpfen
für diesen Traum. Doch dann verliebt sich Amelie in Johannas Fluglehrer und
muss sich entscheiden – „Luft (Fliegen) oder Liebe?!“. „Das ist das Schwierige mit Entscheidungen. ... Man weiß nie, ob man
mit der Alternative nicht glücklicher geworden wäre.“ S. 249
Als das Schicksal ihr die
Entscheidung abnimmt, sinnt Johanna auf Rache. Sie kann nicht verstehen, dass
Amelie aus ihrem Schatten getreten ist, in dem sie all die Jahre – im Leben und
auf Fotos – gestanden hat!
Ich bin mit Liselotte und
Amelie nicht gleich warm geworden, hätte sie ab und an gern schütteln mögen. Sie
erschienen mir als Frauen ohne Rückgrat, die anscheinend immer den leichteren
Weg wählen. Amelie ordnet sich ihrer herrischen Freundin, der strahlenden
Anführerin Johanna, in allem unter, lässt sich von ihr moralisch unter Druck setzen
und gibt deren Launen immer wieder nach. Erst die Liebe zwingt sie irgendwann
zur Abnabelung und Eigenständigkeit.
Ihre Tochter Liselotte ist zu
Beginn regelrecht abgestumpft. Sie fühlt sich in ihrer Ehe überhaupt nicht wohl,
will das aber auch nicht ändern - denn diese bietet ihr wenigstens Sicherheit.
Dass sie mit der Ehe die Kontrolle über ihr Leben komplett an ihren Ehemann
abgetreten hat, hat mich echt schockiert. Er durfte ja wirklich alles für sie
entscheiden – das ist für mich unvorstellbar! Ich bin in der DDR geboren und
aufgewachsen. Bei uns war es normal, dass auch die Frauen arbeiten gingen,
eigenes Geld verdienten und eigene Konten hatten. Im Gegenteil, bei uns war es
eine Seltenheit, dass eine Frau „nur Hausfrau“ war. Ich kann mich nicht erinnern,
dass es sowas in meiner Umgebung überhaupt gab.
Aber je tiefer man in die
Geschichte eindringt, desto besser versteht man ihre Beweggründe und empfindet
tiefes Mitleid für sie. Die Protagnistinnen fangen an sich zu fragen, was sie
sich im Leben eigentlich erträumt oder erhofft hatten und ob es dafür wirklich
schon zu spät ist. „Nicht einmal der
Himmel ist mir geblieben.“ S. 404
Das Frauenbild im
beginnenden Nationalsozialismus und der BRD in den 70er Jahren zeigt erschreckende
Parallelen: für die meisten Männer gehörten Frauen anscheinend barfuß und
schwanger an den Herd! Zum Glück gab es immer wieder Frauen, die sich diesen
Vorstellungen nicht unterordnen wollten, sondern für ihre Freiheit und Ideale
kämpften.
Die Erzählstränge verlaufen
parallel 1935 und 1971. Erzählt wird die Geschichte von Amelie und Liselotte –
Mutter und Tochter, die einander so fremd sind. Sie ist extrem spannend und
mitreißend, man fiebert dem nächsten aufzudeckenden Geheimnis geradezu
entgegen. Und so ganz nebenbei hat die Autorin spannende Fakten zum Thema
„fliegende Frauen“ eingebaut.
Wer spannende
Familiengeheimnisse vor historischer Kulisse mag, wird „Unsere Hälfte des
Himmels“ lieben. 5 Sterne und meine unbedingte Leseempfehlung.
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