- Erscheinungsdatum Erstausgabe : 28.08.2017
- Verlag : Blanvalet
- ISBN: 9783764505790
- Flexibler Einband 448 Seiten
- Genre: Liebesroman
Pia ist Mitte 30, lebt in Berlin auf’m Lietz und schreibt und illustriert Kinderbücher. Als Autorin kommt sie ganz gut zurecht, in ihrem Leben eigentlich auch – nicht zuletzt Dank ihrer großartigen Freunde und Nachbarn – nur mit den Männern lief es bisher nicht so toll. Ihre Auserwählten sahen zwar immer gut aus (zu gut, findet ihr bester schwuler Freund Eddi „... du bist eine Fuhrmann, die gerne nach den Sternen greift und dabei irgendwann von der Leiter kippt.“ (S. 65)), bestanden dann aber den Alltagstest nicht.
Als sie August an der Kühltheke im Kaisers kennenlernt, hält sie sich zurück. Er ist zwar witzig und charmant, aber irgendwie auch schnöselig. Doch sie kann nicht aufhören, an ihn zu denken und als sie sich das nächste Mal beim Einkaufen treffen fragt er: „Mein Ofen oder Dein Ofen?“ (S. 104) Also landen sie bei ihr und auch die nächsten Monate spielt sich ihr Liebesleben meistens bei ihr ab. Am Anfang findet sie das noch toll, aber irgendwann kommen ihr Zweifel, schließlich ist seine Wohnung 1000 mal schöner und größer als ihre: „Aber seit wann zieht der Prinz in Aschenputtels Besenkammer ein?“ „Seit er lernen will, mit Besen und Kehrblech umzugehen.“ (S. 162). Doch dann sieht sie ihn mit einer Anderen im Restaurant ...
Der Hauptteil des Buches „Vorwärts küssen“ beginnt und endet quasi mit der gleichen Szene: Pia sitzt allein bei ihrem Lieblingsitaliener und bastelt Brot-Tierchen, weil ihre Eltern und August sie versetzen haben. Nebenbei betrinkt sie sich, aber das hätte ich in ihrer Situation wahrscheinlich auch gemacht. „Die Erde is eben doch ´ne Scheibe, plötzlich is man über´n Rand und kippt ins Nichts.“ (S. 294) Warum August sie versetzt, wird rückblickend erzählt, warum ihre Eltern nicht auftauchen, kommt nicht heraus.
Pia ist die typische Berliner Kietz-Künstlerin: winzige Wohnung fast unterm Dach, bei Männern etwas verpeilt, aber ansonsten mit beiden Beinen relativ fest im Leben stehend, mit einem besten schwulen Freund und einer Nachbarin / Freundin, die gerade ein Café eröffnet, außerdem singt sie aus Spaß in einer eher unmotivierten Band. So weit zum Klischee. Trotzdem muss man Pia und die anderen einfach mögen. Sie ist sympathisch, intelligent und witzig. Endlich mal wieder eine „Heldin“, die für ihr Geld arbeiten muss und bei der nicht gleich alles aufs Happy End herausläuft. August erscheint anfänglich zwar als Traumprinz, aber meistens sind die eben doch nur Frösche ;-). Dafür beneidet man sie um ihren besten Freund Eddi. Sie kennen sich seit der Schule, sind zusammen durch Dick und Dünn gegangen und jetzt ist er so eine Art „moralischer Kompass“, der immer wieder versucht, sie auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Die Dialoge der beiden haben mich oft zum Lachen gebracht.
Es scheint viel von Sybille Hein in Pia zu stecken – auch sie lebt in Berlin, schreibt und illustriert Kinderbücher und singt in einer Band. Mehr über sie erfahrt ihr unter http://sybillehein.de/. Im Buch tauchen immer wieder Liedtexte und Zeichnungen von Sybille auf, das hat einen ganz besonderen Reiz.
Wie oben schon geschrieben, gibt es aber auch noch den Teil „Rückwärts lieben“, welcher ca. das letzte Drittel des Buches umfasst und Pias Zeit nach dem Restaurantbesuch beleuchtet. Dieser war mir an einigen Stellen zu surreal, einiges hab ich nicht verstanden und der Rest war zu vorhersehbar. Für mich hätte es diesen Teil des Buches nicht geben müssen.
Trotzdem kann ich „Vorwärts küssen, rückwärts lieben“ allen Liebhabern nicht alltäglicher Liebesgeschichten nur wärmstens ans Herz legen. 4 Sterne.
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