- Erscheinungsdatum Erstausgabe : 02.10.2017
- Verlag : Droemer
- ISBN: 9783426281017
- Fester Einband 480 Seiten
- Genre: Historischer Roman
Leider nicht märchenhaft
Die Ankündigung: „Der neue historische Roman der
Spiegel-Bestsellerautorin Tanja Kinkel führt zurück in das neunzehnte
Jahrhundert und verbindet märchenhaftes Setting und historische Spannung mit
einer grausamen Mordserie. …
Geschickt verwebt Tanja Kinkel die privaten Verwicklungen von zwei der
berühmtesten Geschwisterpaare der deutschen Literaturgeschichte in ein
unglaubliches Verbrechen. Ein Mordsbuch.“ hatte mich neugierig
gemacht. Wer kennt Grimms Märchen nicht? Und auch die Schwestern Jenny und Annette
von Droste-Hülshoff habe ich letztes Jahr durch einen biographischen Roman
(Grimms Albtraum von Esther Grau) näher kennengelernt.
Meine Erwartungen waren also entsprechend hoch und wurden leider
enttäuscht. Ich hatte mir einen spannenden historischen Krimi erhofft, angelehnt
an die Biografien von Annette und Jenny bzw. Jacob und Wilhelm. Richtige
(Krimi)Spannung kam bei mir allerdings nur in den letzten beiden Kapiteln auf. Die
angekündigten Morde werden zwar schon zu Beginn begangen, danach plätschert die
Handlung aber mehr oder weniger entspannt vor sich hin. Es wird erklärt, warum
die Droste-Hülshoff-Schwestern überhaupt in den Fall involviert sind (sie haben
eines der Märchen beigesteuert, nach denen gemordet wurde) und wie die
Geschwister miteinander verbandelt sind bzw. welche Animositäten herrschen.
Annettes „große Verfehlung“ wird mehrfach erwähnt, aber nie genau erklärt – das
versteht man nur, wenn man weiß, was im Jahr davor mit Straube und ihrem
Stiefonkel von Arnswald war. Dazu kommt noch sehr viel Landespolitik, die
sicher für einige Leser interessant und am Ende für die Aufklärung auch wichtig
ist, meinen Lesefluss aber extrem gehemmt hat. Auch die zum Teil verschiedenen
Bezeichnungen für ein und dieselbe Person haben mich beim Lesen zum Teil
verwirrt.
Spannend fand ich die Geschwisterkonstellationen. Jacob fühlte sich nach
dem frühen Tod seines Vaters schon mit 11 Jahren als männliches
Familienoberhaupt und hat diese Verantwortung wohl nie ablegen können. Dadurch
kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen (neben Wilhelm hat er noch 3
weitere Brüder und eine Schwester, Lotte, die ihnen den Haushalt führte). Aber
die Beziehung zu Wilhelm war schon fast wie bei Zwillingen. Streit zwischen
ihnen gab es allerdings immer wieder wegen Annette von Droste-Hülshoff. Wilhelm
und sie mochten sich nicht – war ihm vielleicht ihre Intelligenz suspekt und
dass sie es nicht einsah, sich Männern unterordnen zu müssen? Tanja Kinkel
bietet eine andere Interpretationsmöglichkeit. Wilhelm und Jenny hingegen
verband eine jahrelange Brieffreundschaft, nur eine Ehe war wohl aus
Standesunterschieden nicht denkbar. Auch Jenny und Annette verband eine ganz
besondere Beziehung. Jenny stand – obwohl sie die Ältere war – immer in Annettes
Schatten zu. Trotzdem waren sie beste Freundinnen und teilten fast alle
Geheimnisse.
Sehr interessant sind auch die Hintergründe zu Grimms Märchen. Diese hatte
sie wohl nicht wirklich in den „einfachen Volksschichten“ gesammelt, wie
angegeben, sondern allen Bevölkerungsgruppen und sogar anderen Ländern
entlehnt. Außerdem müssen sie in den Erstfassungen zum Teil unglaublich grausam
gewesen sein und deswegen nicht für Kinder geeignet. Aus diesem Grund wurde
haben die Grimms wohl auch das Konzept der „bösen Stiefmutter“ entwickelt.
Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich „Grimms Morde“ überwiegend als zu
langatmig empfunden habe und man viele Anspielungen nur versteht, wenn man die
Biografien aller Beteiligten kennt (oder während des Lesens nachschlägt).
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