Dienstag, 7. Mai 2019

Die Kommune der Faschisten

Buchdetails:

Erscheinungsdatum: 01.03.2019

Verlag: wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Fester Einband: 296 Seiten

ISBN: 9783806239140

Genre: Sachbuch







Von der Kommune der Faschisten hatte ich noch nichts gehört. Das Buchcover sprach mich an. Ich wollte mehr erfahren.
Was hat es mit der Marionettenrepublik von Fiume auf sich und wie war der italienische Nationalist und Schriftsteller Gabriele D‘Annunzio darin verstrickt?

Das Buch des Historikers Kersten Knipp ist anlässlich des 100. Geburtstages des Staatsstreichs von Fiume im März 2019 beim Verlag wbg Theiss erschienen. 

Kaum zu glauben und doch wahr!
Im September 1919 besetzen 2500 Freischärler unter Führung D‘Annunzios, gegen den Willen der italienischen Regierung, die kleine kroatische Küstenstadt Rijeka, ital. Fiume.
Nach dem ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns, wurde der Status von Fiume zum internationalen Problem.
Italien war ein zerrissenes Land zwischen Rückständigkeit und Aufbruch, das seinen Anschluss an das 20. Jahrhundert suchte.
Ein Ausweg schien im Faschismus und Totalitarismus gefunden.
Mit der Besetzung Fiumes entstand eine Republik der Superlative, eine bizarre Mischung aus Alternativkultur und militärischer Gewaltverherrlichung. 15 Monate gesellschaftliches Chaos mit endlosen Festen und Kokain, das ich bisher nur von der 68er Bewegung kannte.
Mit dem Grenzvertrag von Rapallo wurde Anerkennung eines freien und unabhängigen Freistaates Fiume vereinbart. D‘Annunzio lehnte diesen Vertrag ab. Er und seine Gefolgsleute wurden im Dezember 1920 aus der Stadt vertrieben.
Heute würde man sagen, er war ein Blender. Als Schriftsteller wusste er, sich gewählt auszudrücken. Er konnte Menschen mit Sprache begeistern und mitreißen, einen Trumpf, den D‘Annunzio in Perfektion ausspielte. Er war ein Lebemann, gab verschwenderisch Geld aus, welches er nicht hatte. Es gelang ihm mit seinem Charme Massen zu mobilisieren. Menschen sind mit überschwänglichen Reden leicht zu beeindrucken. 
Vor allem erstaunt es mich, dass es um 1920 bereits Vorboten der 68er Bewegung gab. Was für eine skurrile Geschichte!

Kersten Knipp hat ein interessantes, aber auch ziemliches schräges Stück Zeitgeschehen thematisiert.
Das Buch scheint mir exzellent recherchiert, detailreich und lebendig niedergeschrieben. Ich fühlte mich in die damalige Zeit hineinversetzt, ein Effekt, der durch die angedruckten Fotografien im Buch, verstärkt wurde.
Dennoch war es lesetechnisch eine Herausforderung. Der Autor verwendet viele Fachbegriffe. Ein anspruchsvoller Schreibstil, der sicher nicht für „Jedermann“ gut verständlich ist.
Ich musste mich sehr konzentrieren, um die geschichtlichen und politischen Hintergründe in ihrer Gänze zu erfassen.

Wer sich für die Anfänge der faschistischen Bewegung der Italiener interessiert und den jungen Mussolini als D‘Annunzios Gegenspieler kennenlernen möchte, dem sei dieses Buch empfohlen.

1 Kommentar:

Die-Rezensentin hat gesagt…

Das ist eine super Rezension!! Sehr interessant,aber ich glaube auch, dass man sich extrem konzentrieren muss. Ich werde mir das Buch mal ansehen, aber angesichts des Riesenstapels Bücher, die hier noch gelesen werden wollen/müssen, glaube ich nicht, dass ich es mir hole. L.G. Annette