Vorab Hinweis: Zwar wurde uns ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Auf der Suche nach der großen Liebe
„Manchmal kommt es mir so vor, als würde ich nirgends hingehören. Die Schicht, in die ich hineingeboren wurde, will mich nicht haben. Sie finden mich zu hochnäsig, nur weil ich versuche, etwas Besseres zu machen. Und die feinen Leute wollen mich wegen meiner Wurzeln nicht haben. Ich bin ein Zwischending.“ (S. 270) … könnte ein Zitat könnte von Gabrielle (Coco) Chanel sein, tatsächlich aber sagt es ihre jüngere Schwester Antoinette, die auch ihr ganzes Leben lang ihren Platz in der Gesellschaft suchte.
Coco selbst hat ihre Herkunft ja immer beschönigt, aber Autorin Judithe Little lässt im vorliegenden Buch Antoinette zu Wort kommen und von ihrem gemeinsamen Ringen um Unabhängigkeit, Erfolg und Anerkennung erzählen und der Suche nach der einen großen Liebe.
Schon als Kinder wurden die Schwestern nach dem frühen Tod der Mutter vom Vater in ein Klosterwaisenhaus gegeben. Dort lernten sie u.a. Nähen und Sticken, wollten aber auf keinen Fall ihren Lebensunterhalt damit verdienen, sondern in der Gesellschaft aufsteigen. Und während Gabrielle von einer Karriere als Sängerin träumt und einem windigen „Manager“ dafür ihr ganzes Geld in den Rachen warf, arbeitet Antoinette in einem Hutgeschäft um sie zu unterstützen.
Gabrielle flüchtete sich bald in die Arme reicher Liebhaber und begann nur aus Langeweile, Hüte zu entwerfen. Erst ihre große Liebe Boy Chapel brachte sie dazu, damit auch Geld zu verdienen – und Antoinette war immer an ihrer Seite. Gabrielle war die Träumerin und Visionärin, die sich nicht um die Meinung anderer scherte („Mir sind Konventionen egal. Konventionen haben Leuten wie uns nie etwas gebracht.“ (S. 130)), Antoinette war die Geschäftsfrau hinter der Marke Chanel. Denn gerade zu Beginn ihrer Karriere war Coco nicht mal bewusst, dass sie mehr Geld ausgab als einnahm und ihre jeweiligen Liebhaber ihre Kredite abzahlten. Dabei wollte sie immer auf eigenen Füßen stehen, damit es ihr nicht so ging wie ihrer Mutter – verlassen, verarmt und totgearbeitet. „Ich fürchte, wenn du nicht aufpasst, wirst du genauso enden wie deine Mutter.“ (S. 9)
Ich fand es sehr interessant, mehr über Cocos Aufwachsen und den Beginn ihrer Karriere zu lesen und die Interaktionen der beiden Schwester. Denn auch wenn die Handlung des Romans fiktiv ist, orientiert er sich doch an belegbaren Stationen ihres Lebens und endet mit Antoinettes frühem Tod im Jahr 1921. Auch deren Leben im Schatten der berühmten Schwester hat mir gut gefallen. Ihre Suche nach der großen Liebe beschert ihr anscheinend kein Glück – das haben sie und Coco gemeinsam. „Wir lebten in Käfigen, wir beide, aus dem, was wir der Welt zufolge zu sein hatten. Ich versuchte wenigstens, aus meinem auszubrechen.“ (S. 152)
Judithe Little beschreibt sehr spannend und unterhaltsam Cocos Aufstieg von der Geliebten / Modistin zur gefeierten Designerin und lässt dabei den Anfang des letzten Jahrhunderts inkl. der Grauen des 1. Weltkrieges lebendig werden.
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