Als Frau in einer Männerwelt
„Im Kindesalter hatte Rosalind nie das Gefühl gehabt, sich als Mädchen besonders behaupten oder zurückhalten zu müssen. … Vermutlich hatte sie in Cambridge das erste Mal über ihre Rolle als Frau in der Arbeitswelt nachgedacht.“ (S. 68) Rosalind Franklin ist erst 31, hat sich aber schon einen Namen als Biochemikerin und Spezialistin für Kristallfotografie gemacht, als sie 1951 von Paris nach London zurückkehrt und ans King´s College wechselt. Entgegen vorheriger Absprachen soll sie den Aufbau der DNA mit Ultraviolett- und Rotlicht erforschen. Aber das ist nicht ihr einziges Problem. In Paris war das Leben und Arbeiten frei und gleichberechtigt, in ihrer neuen Fakultät ist die Luft testosteron-geschwängert. Ihr Laborkollege ignoriert sie und die anderen Männer behandeln sie wie eine Putzfrau oder Assistentin, oder, noch schlimmer, beschimpfen sie als Jüdin. Und der Fakultätschef mischt sich nur dann in die internen Streitigkeiten ein, wenn diese die Arbeit behindern. Dabei droht die größte Gefahr von außen. Das King´s ist nämlich nicht die einzige Einrichtung, die sich mit der Erforschung der DNA befasst. Der Wettlauf gegen die Zeit und Konkurrenten hat längst begonnen und es wird mit harten Bandagen und unlauteren Mitteln gekämpft ...
Petra Hucke hat es geschafft, mich von Beginn an in Rosalinds Kosmos zu ziehen, in der Bildung für Mädchen kein Privileg war, sondern von ihrer gutsituierten Familie, der ein Bankhaus gehört, auch erwartet wurde. Als eine Cousine von ihr nicht studieren, sondern jung heiraten will, läuft die Verwandtschaft Sturm.
Rosalind ist eine mutige, intelligente, selbstbewusste und streitbare Frau, aber Männern gegenüber etwas unbeholfen, wenn es um Partnerschaften und das Zwischenmenschliche geht. Sie ist sich nie sicher, ob jemand mit ihr flirtet und hat auch kein Interesse an einer Beziehung oder gar Familie. „Rosalind wollte selbst keine Kinder, denn mit einer Karriere war das nicht zu vereinbaren.“ (S. 117) Zudem ist sie durch ihre Herkunft und Erziehung snobistisch und nicht frei von Standesdünkeln, regt sich z.B. niedere Akzente und Dialekte auf oder kann sich nicht vorstellen, dass jemand kein Geld für eine neue Brille hat, wenn die alte kaputt ist.
Ihr Chef sammelt gute Wissenschaftler wie andere Briefmarken, setzt die Leute dann aber nicht in ihren Spezialgebieten ein. Auch die Ablehnung durch ihre männlichen Kollegen macht ihr zu schaffen. Einzig ihr Assistent Oliver, der ihr aus Paris gefolgt ist, steht (meist) zu ihr.
Ich konnte verstehen, dass sich Rosalind da sehr unwohl gefühlt hat und war wütend wegen der extrem frauenfeindlichen Sprüche und dem, was ihr zum Teil angetan wurde. Mir wurde wieder einmal bewusst, wie gut wir Frauen es heutzutage haben.
Natürlich geht Petra Hucke auch auf die Untersuchungsmethoden, Verfahren und chemischen Vorgänge ein, die Rosalind und ihre Kollegen bei der Entschlüsselung der DNA nutzen, erklärt diese aber allgemeinverständlich und vermittelt so einen guten Einblick in die wissenschaftliche Arbeit und Forschung der damaligen Zeit.
Mein Fazit: Eine interessante Biographie über eine spannende Frau und die Entschlüsselung der DNA.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen