Buchdetails:
Erscheinungsdatum: 22.03.2023
Herausgeber: Diogenes
Buchlänge: 336 Seiten
ISBN: 9783257072341
Genre : Gegenwartsliteratur
„Er war einst eine wichtige Persönlichkeit gewesen. Nationalrat. Mitglied der liberalen Wirtschaftspartei, Königsmacher und Geldgeber. In der Wirtschaft spielte er eine große Rolle als Banken-, Versicherungen- und Maschinenindustrie-Verwaltungsrat. Daneben war er Kunstmäzen und langjähriges Mitglied des Verwaltungsrats der Oper und dessen Präsident während elf Jahren.“ ( Zitat aus dem Roman)
Die Rede ist von Dr. Stotz, der inzwischen am Ende seines Lebensweges angekommen ist. Ihm bleibt im besten Fall noch ein Jahr. Stotz möchte seinen Nachlass ordnen und engagiert dafür Tom Elmer. Der junge Jurist bekommt ein Zimmer in der imposanten Villa am Zürichberg und beginnt mit seiner Arbeit. Überall im Haus findet Tom Porträts einer jungen Frau. Bei den gemeinsamen Gesprächen im Kaminzimmer erzählt ihm Dr. Stotz von seiner großen Liebe Melody, die vor über 40 Jahren kurz vor der Hochzeit verschwunden ist. Tom ist fasziniert von den Erzählungen um Melody und begibt sich auf Spurensuche. Unterstützt wird er dabei von Stotz’ Großnichte Laura. Die beiden stoßen bei ihrer Recherche auf Widersprüche und Geheimnisse. Wo liegt die Wahrheit und was ist Fiktion?
Wird es Tom und Laura gelingen, das Rätsel um Melody zu lösen?
Der Autor Martin Suter ist für mich ein gebildeter, kultivierter und gepflegter Mann, ein eleganter Herr.
Eben dieses Bild spiegelt sich ich die Darstellung seiner Charaktere und in seinen Schreibstil wider. Die Wörter sind mit Bedacht gewählt und fügen sich zu klugen Sätzen zusammen.
Hier ein Beispiel.
Dr. Stotz: „Das Thema ist die Vernunft, diese spröde Jungfer. Sie hat mir ein Leben lang vor der Sonne gestanden. Sie hat mich herumkommandiert, wie eine Gouvernante. Und ich Trottel habe ihr immer gehorcht. Sie hat mich zu einem anderen Menschen gemacht, als der, der ich sein wollte.“ (Zitat aus dem Roman)
Purer Lesegenuss! Die Handlung ist fein und gefühlvoll ausgearbeitet. Gedanklich sehe ich die Schauplätze und die handelnden Figuren vor mir und fühle mich Seite um Seite mehr ins Geschehen hineinversetzt.
Dr. Stotz ist ein vornehm-verschrobener Mann, den eine geheimnisvolle Aura umgibt. Ich mag ihn. Erzählt er von seiner Melody, wird Stotz zum glühenden Verehrer. Das bildet einen Gegensatz zu seiner Rolle als einflussreicher und kontrolliert agierender Geschäftsmann.
Tom scheint mit dem Job das große Los gezogen zu haben. In der Villa wird er täglich mit leckerem Essen verköstigt. Dazu fließt reichlich Alkohol. Tom arbeitet sich akribisch durch den Nachlass. Je mehr er über Melody erfährt, um so nebulöser erscheint sie ihm. Auch bei mir kommen während des Lesens Zweifel auf. Das erzeugt Spannung. Ich fliege durch die Seiten. Warum ist Melody damals tatsächlich verschwunden? Nichts ist, wie es scheint. Das Ende punktet mit einer überraschenden Wendung.
Es ist ein Roman der leisen Töne mit intensiver Wirkung, ein unterhaltsames Leseerlebnis a la Suter.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen