„Ich kenne keinen Menschen, der so besessen von Kleidern und Accessoires ist wie Du.“ „Nun, es macht mir Spaß, meine Garderobe auf meine eigene Weise zu gestalten. Es ist wie ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang.“ (S. 83)
1966: Louise le Bailly de la Falaise ist 18, als sie von ihrer Mutter aus New York nach London geschickt wird, um in die Gesellschaft eingeführt zu werden. Nach vier sehr freien Jahren in der New Yorker Kunst- und Kulturszene „quält“ ihre Großmutter, Lady Rhoda Birly, sie jetzt mit Ballettstunden und Festivals, auf denen Louise ihre selbstgeschriebenen Gedichte vortragen muss und passenden Ehemännern in spe vorgestellt wird. Dabei würde sie ihre Freiheit gern noch ein bisschen genießen und lieber weiter durch Ateliers und über Flohmärkte streifen, um sich zu ihrer auffälligen Garderobe inspirieren zu lassen.
Schnell findet sich der perfekte Ehemann – der letzte Ritter Irlands. Desmond Fitz Gerald, The Knight of Glin, ist 10 Jahre älter als Louise und beeindruckt sie mit seiner Weltgewandtheit, Erfahrung, Abstammung und seinem Freundeskreis, zu dem u.a. Mick Jagger gehört. Ihre Großmutter und Eltern sind begeistert, alles wird arrangiert, ohne nach ihrer Meinung zu fragen. Doch ihr ausgeflippter Stil, der Desmond vor der Ehe gefiel, passt so gar nicht auf sein irisches Schloss und zu seiner Ehefrau. Auch, dass sie einen Schreibmaschinenkurs macht und als Moderedakteurin beim Queen-Magazin arbeitet, gefällt ihm nicht. Die Ehe scheitert. Sie geht nach New York und Paris, taucht noch tiefer in die Modewelt ein und lernt Yves Saint-Laurent kennen …
Michelle Marly verwebt in ihrem neuesten Buch geschickt Realität und Fiktion und bringt mir eine bemerkenswerte Frau näher, die ich bisher nicht kannte. Das Buch liest sich wie das Who-is-Who der 60er und 70er, lässt Modeikonen, Fotografen, Balletttänzer, Maler, Schauspieler und Musiker dieser Zeit wieder lebendig werden.
Louise wurde nach der Scheidung ihrer Eltern hauptsächlich von ihrer Mutter, einem früheren Modell und It-Girl erzogen, die sich für ihre Tochter den sicheren Hafen einer guten Ehe erhoffte. Sie versuchte Louise nach ihrem Vorbild zu formen und mischte sich in wirklich alles ein. Dabei wollte die nichts anderes, als sich durch (ihre) Mode ausdrücken und selbst verwirklichen. Als Loulou de Falaise erfand sie sich neu, brachte endlich ihr wahres Ich zum Vorschein. „Ihre größten Ziele waren zweifellos nicht die Liebe oder gar Versorgung fürs Leben, sondern Selbständigkeit und Erfolg.“ (S. 248) Sie war eine junge Frau zwischen Tradition und Moderne, zwischen Burberry und Flowerpower, zwischen Haute Couture und Flohmarkt. Sie startete als Modell, wurde Mode-Assistentin, (Schmuck-)Designerin und ließ sich von allem inspirieren, was sie umgab.
Anders als man beim Buchtitel vermuten könnte, spielt Yves Saint-Laurent nur eine Nebenrolle, trotzdem bekommt man einen guten Eindruck von ihm und seiner Arbeitsweise. Er ist extrem schüchtern und introvertiert, arbeitet bis zum Umfallen und vergöttert seine Mutter und Coco Chanel, die ihn leider zu einem seiner größten Fehlschläge inspirieren.
Natürlich spielen in einem Buch über diese Zeit und Szene auch Drogen eine große Rolle. Es wurde so ziemlich alles und leider oft viel zu viel konsumiert, ohne einen Gedanken an die Konsequenzen. Loulou schien sich dabei aber sehr zurückgehalten zu haben.
Ein beeindruckendes Buch über das sehr bewegte, bunte Leben einer Frau und Künstlerin, die sich selbst neu erfand und in der Mode verwirklichte.
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