Sonntag, 17. Dezember 2023

Wieder im Gleichgewicht - frühkindliche Reflexe und unser Gehirn

Ganz gleich, von welcher Seite man es auch betrachtet: Die Kinder haben heute mehr schulische und motorische Probleme, sind im Verhalten auffälliger und leiden unter mehr chronischen Krankheiten als in früheren Zeiten. Im medizinischen Bereich wird dies als „neue Morbidität“, als neues Krankheitsaufkommen bezeichnet. (Seite 10-11) 

Viel zu schnell werden Kinder heute in Schubladen gesteckt – und damit meine ich nicht das typische Gender denken, sondern vor allem das Verhalten eines Kindes.

Das Kind kann nicht stillsitzen und konzentriert Aufgaben lösen?
Dann hat es bestimmt AD(H)S.

Das Kind hat Probleme beim Schreiben, Lesen und / oder Rechnen?
Da liegt doch bestimmt eine Lese-Rechtschreibschwäche und / oder eine Matheschwäche vor.

Die Liste solcher Beispiele lässt sich noch um einiges erweitern, auch die vermeintlichen Diagnosen gibt es zu Hauf.
Und bei manchen wird dies stimmen, doch vielleicht nicht bei allen. Manchmal steckt mehr hinter solchen Auffälligkeiten als auf den ersten Blick erkennbar ist, vor allem muss einfach genauer Hingeschaut werden. Denn auch persistierende frühkindliche Reflexe können die Ursache sein. Es kommt zu Stress, körperlicher Fehlbelastung, verminderter Leistungsfähigkeit und mangelndem Selbstvertrauen.

Die frühkindlichen Reflexe spielen vor allem während der Schwangerschaft und dem ersten Lebensjahr eine enorm wichtige Rolle bei der Entwicklung eines Kindes. So sorgt das Zusammenspiel eben dieser Reflexe dafür, dass das Kind irgendwann in der Lage ist sich selbst hinzusetzten, sich hinzustellen und auch zu gehen. „Wir können den Reflexen die bildliche Aufgabe eines Personal Trainers zusprechen.“ (Seite 21). 

Während der Schwangerschaft macht er seine Ausbildung, muss die verschiedenen Trainingsbereiche erlernen. Nach der Geburt gibt er dieses erlernte Wissen weiter bis zu dem Moment, wo das Baby irgendwann aufrecht stehen und gehen kann. Mit einigen Trainingseinheiten wird das Kind sogar bis zum Alter von 3 Jahren begleitet. Ab da kann das Kind diese Bewegungsabfolgen dann selbst steuern, eine Anleitung ist nicht mehr notwendig. Wenn sich die frühkindlichen Reflexe allerdings nicht zurückbilden und immer präsent sind, erzeugt dies einen Dauerstress im Körper und im Gehirn, was wiederum diverse Auffälligkeiten als Folge haben kann. 

Eben diese Auffälligkeiten werden dann in eine Schublade gesteckt (LRS, AD(H)S, Verhaltensstörung und mehr) und nach Schema F behandelt ohne die Ursache zu suchen, davon diese zu behandeln ganz zu schweigen. Nicht zielführende Therapien und der unnötige Einsatz von Medikamenten kann die Folge sein.

„Methylphenidat ist keine Lösung. Wir plädieren für ein Lernen ohne Medikamete.“ (Seite 166)

Fazit:
Mit diesem Buch wird ausführlich und dennoch verständlich beschrieben, welche frühkindlichen Reflexe es gibt, was ihre Aufgabe ist und was in unserem Körper und Gehirn passiert, wenn diese nicht gehemmt werden. 

Es ist ein wirklich interessantes und komplexes Thema welches die Autoren durch ausführliche Erklärungen und passende Fallbeispiele aus Alltagssituationen auch für Laien sehr gut veranschaulicht haben.

Allerdings kam es auch oft zu Wiederholungen, natürlich kann man jetzt sagen, dass damit die Wichtigkeit des Inhaltes deutlich gemacht werden wollte, ich fand es störend. 

„Sie werden im medizinischen und therapeutischen Bereich kaum Ansprechpartner finden." (Seite 167).

Diese Aussage ist so eindeutig wie wahr. Und genau das fehlt mir nun in diesem Buch. Wenn ich mich also nicht an den Kinderarzt wenden kann, beziehungsweise dieser das Thema als nicht wichtig erachtet, wo soll ich mich dann hinwenden? Im Nachwort von Christine Sieber fällt die Bezeichnung Reflexintegrationstrainer, allerdings wäre es schön gewesen, diesen Punkt noch einmal deutlicher hervorzuheben. 

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