„Valentina Schlee mochte dürr sein wie ein Streichholz und exzentrisch wie ein betrunkener Kolibri, in Modefragen machte ihr niemand etwas vor.“ (S. 39) Manhattan 1933: Valentina, von der man nur weiß, dass sie ursprünglich von der Krim und höchstwahrscheinlich aus altem russischem Adel stammt, ist genauso, wie sich die Schönen und (vor allem) Reichen eine Modedesignern vorstellen: sehr exaltiert und geheimnisvoll. Sie nimmt nie mehr als 200 Kundinnen in ihre Datei auf, die ihre Kleider dann nicht mal selber aussuchen dürfen. Valentina legt Schnitte, Stoffe und Farben ganz allein fest. Dafür sind ihre Kreationen dann aber auch spektakulär und kosten oft mehr als das Jahresgehalt eines New Yorker Arbeiters.
Ihr Geschäft würde ohne ihre Assistentin Daisy wahrscheinlich nicht halb so gut laufen. Die stammt aus der besseren Gesellschaft von Savannah, ist sehr schlau und gewitzt und im Vergleich zu Valentina fast schon bodenständig zu nennen. Sie hat ein Hänchen für schwierige Kundinnen (und ihre Chefin), bewahrt auch in der größten Katastrophe die totale Ruhe und hält zur Not alle mit Champagner in Schach.
Leider ist ihre Zeit bei Valentina gezählt. Seit Wochen geht sie ihrem Fast-Verlobten aus dem Weg, der nach dem Studium in die Kanzlei ihres Vaters einsteigen und sie dafür heiraten soll. Ihrer beider Familien sind entzückt, aber Daisy hat sich in den Journalisten und Hot-Dog-Verkäufer Christopher Flanagan verguckt, der ist nur leider als Partner undenkbar.
„Mode spiegelt die Gesellschaft, und zwar gleich doppelt: Einmal so, wie sie ist, und einmal so, wie sie gern wäre.“ (S. 205)
Joan Wengs neuer Roman „Die Modeschöpferin von Manhattan“ hat mich überrascht. Ich hatte noch nie von Valentina Schlee gehört, dabei habe ich schon einige Bücher über Mode und Kundinnen von ihr gelesen, wie Eleanor Roosevelt, Marlene Dietrich, Katharine Hepburn oder Greta Garbo. Aber Valentinas Name ist darin nie aufgetaucht. Sie scheint eine extrem spannende Persönlichkeit gewesen zu sein, die einen regelrechten Kult um sich aufgebaut hat, um ihre Herkunft, ihr Leben und ihre Ängste zu verschleiern. Sie und ihr Mann Georg haben schon zweimal alles verloren, erst in Russland und dann in Paris, sind aber jedes Mal wie Phönixe wieder auferstanden und haben sich neu erfunden. Aber dann lässt eine neue Kundin
Valentinas Vergangenheit plötzlich wieder sehr lebendig werden und erschüttert sie bis ins Mark. „Die Toten sollen tot bleiben.“ (S. 80)
Valentina lebt in einer Welt voller Mode, Luxus, Champagner und Liebe, doch hinter den Kulissen ist es weniger glamourös. Sie steht eigentlich auf Frauen und ist unglücklich verliebt – natürlich nicht in ihren Mann, der immer neue Gespielinnen hat – und jetzt konkurrieren sie auch noch um die gleiche Frau.
Und während sie von einer Filmpremiere zur nächsten taumelt und immer ausgefallenerer Kreationen entwirft, schaut sie auch nach Deutschland und Russland, die über den Nichtangriffspakt verhandeln.
Joan Weng ist es gelungen, die Welt der Mode mit den verschiedenen Gesellschaftsschichten und deren Ansichten und Interessen bzgl. der politischen Entwicklungen gekonnt zu verbinden. Ihre Protaginsten sind fein gezeichnet und vielschichtig, ich mochte auch die Nebencharaktere wie Daisys sehr lebenslustige Freundin Katej und ihre Tante sehr. Sie schreibt sie sehr anschaulich, unterhaltsam und fesselnd.
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