Passt in keine Schublade...
Gebundene Ausgabe: 200 Seiten
Verlag: Verlag Wortreich
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 9783950399172
Der Sprachwissenschaftler Eduard flüchtet von seiner
Universität in Wien in das englische Städtchen Rye, um sich dort in aller Ruhe
seiner Arbeit über die Kasussuffixe im Tschuktschischen zu widmen. Sein Leben
besteht nur aus seiner Arbeit und er verbannt jeden möglichen Störfaktor aus
seiner Umgebung. Nichts soll seinen akribischen Tagesablauf stören.
Doch er hat seine Rechnung ohne den einzigen anderen Gast
des Bed & Breakfasts gemacht, in welches er sich eingemietet hat. Pauline
bereitet sich auf einen wichtigen Wettbewerb vor, doch statt diszipliniert zu
üben, setzt sie sich nur dann an das Klavier, wenn sie gerade Lust dazu hat.
Eine Arbeitsweise, die Eduard in keiner Weise nachvollziehen kann. Dennoch
treffen sich die beiden regelmäßig in Eduards Pausen und nach einer Weile stößt
mit Oskar eine weitere Person zu ihnen. Eduard wird immer wieder aus seinem
gewohnten Arbeitsrhythmus gerissen. Doch wie soll er damit umgehen?
„Zuerst der Tee“ ist der Debütroman des Wieners Gábor
Fónyad. Sein Erzählstil ist ruhig und leise mit amüsanten Untertönen. Auch wenn
insgesamt nicht viel passiert, so mochte ich das beschauliche Tempo und habe
keinerlei Action vermisst. Auch wenn gerade zu Beginn viele linguistische
Fachbegriffe fallen, so macht es nichts, wenn man damit ebenso wenig anfangen
kann, wie auch die meisten anderen Menschen, denen Eduard begegnet. Der ein
oder andere Leser mag vielleicht über diese Begriffe stolpern, doch mich haben
sie nicht im Lesefluss gestört.
Das Buch ließ sich gut lesen und ich hatte ein klares Bild
von Eduard und Pauline vor Augen. Oskar konnte ich bis zum Ende nicht richtig
fassen. Auch wenn Eduard bisweilen schon fast unfreundlich erscheint, mochte
ich ihn und bewundere ihn für seine Disziplin. Pauline ist ein toller Gegenpart.
Offen, lebenslustig und spontan. Grandios fand ich ihren Vergleich auf Seite 42
"Das heißt also: Du bist Tschuktschologe, ohne je einen Tschuktschen
getroffen zu haben? Das ist ja, als würde ein Nudist Bademode entwerfen."
Sehr interessant fand ich den Abschnitt über Texttreue,
Noten und die Bibel. Wo darf man improvisieren, verunsichern, provozieren und
wo muss man sich Buchstabe für Buchstabe, Note für Note an das Niedergeschriebene
halten? Spannende Fragen, die mich zum Nachdenken angeregt haben.
Leider gefiel mir das letzte Drittel nicht mehr so sehr. Zu
viele Fragen blieben für mich offen. Für Eduard fand ich das Ende passend, doch
insgesamt fehlte mir etwas. Vor allem habe ich mich gefragt, wo eigentlich der
tiefere Sinn des Romans lag. Gut, manchmal ist auch der Weg das Ziel, aber so
ganz kann ich das hier nicht sehen.
Insgesamt kann ich sagen, dass mir der Schreibstil gut
gefallen hat, ich es spannend fand, wie so unterschiedliche Charaktere wie
Pauline und Eduard aufeinandertreffen und wie sie reagieren. Auch manche
Theorien waren sehr interessant. Dennoch konnte mich der Roman nicht restlos
überzeugen.
Mein Fazit: Ein Roman, der sicher nicht jeden Geschmack trifft
und der sich auch in keine Schublade stecken lässt. Man muss sich auf diese
ruhige Geschichte und seine Protagonisten einlassen können.
Vielen Dank
an den Verlag Wortreich für das Rezensionsexemplar.
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