Eine anspruchsvolle, anstrengende und lesenswerte Adaption
Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag: Vintage
Sprache: Englisch
ISBN-13: 9780099593287
Genre: Roman
Auf einem Friedhof im Golden Triangle von Cheshire treffen
Strulovitch und Shylock aufeinander. Stulovitch, der um seine Frau trauert, mit
dem Verhalten seiner Tochter kämpft und beinahe ebenso mit seinem eigenen Jüdischsein,
lädt Shylock kurzerhand zu sich ein. Shylock wird für ihn Diskussionspartner
und auch Ratgeber.
Zeitgleich versucht D’Anton seinen Freunden zu helfen und
knüpft so unbeabsichtigt und teils unfreiwillig eine Verbindung zu Strulovitch
und damit auch zu Shylock. So kreuzen sich die Wege und es fragt sich, ob es in
der sich entwickelnden Geschichte überhaupt einen Gewinner geben kann.
Howard Jacabsons „Shylock is my name“ ist das zweite Buch
der neuen Hogarth Shakespeare-Reihe, in der einige Shakespeare Dramen von
bekannten Autoren adaptiert und in unsere Zeit übertragen werden. So nahm
Jacobson mit „Der Kaufmann von Venedig“ eine große Herausforderung an.
Wie bei der Vorlage nicht anders zu erwarten sind die
zentralen Themen das Jüdischsein und der Antisemitismus. Was bedeutet es
überhaupt ein Jude zu sein? Wie ist das Leben in einem Nicht-Jüdischen Umfeld?
Wie und wo kann man sich positionieren? Darüber hinaus beschäftigt sowohl Shylock
als auch Strulovitch das Vatersein und in dem Zuge natürlich auch die jüdische
Erziehung ihrer Töchter. In langen Gedankengängen und Diskussionen wird der
Leser mit diesen Fragen konfrontiert. Dennoch hatte ich nicht den Eindruck,
dass das Buch den Leser in irgendeiner Art und Weise belehren möchte. Es zeigt
die Probleme, die die handelnden Personen mit der Religion und den Reaktionen
Andersgläubiger haben, spart auch nicht an Vorurteilen, aber es hebt nicht
mahnend den Finger, um uns zu sagen, was der richtige Weg ist.
Sprachlich ist das Werk anspruchsvoll und schafft mit seiner
schönen Sprache eine tolle Balance zwischen dem Alten und Neuen. Doch obwohl es
handwerklich sehr gut gemacht ist, konnte mich das erste Drittel nicht wirklich
fesseln und ich empfand das Lesen als eher mühselig und anstrengend. Zum einen
sind mir besonders Shylocks Ausführungen zu den Juden teils zu lang, zum
anderen liegt es natürlich auch daran, dass weder Strulovitch noch Shylock
Charaktere sind, mit denen man sich identifizieren kann. Das macht es mir sonst
in der Regel leichter, mich in eine Geschichte einzufinden oder mich ganz in
ihren Bann ziehen zu lassen.
Doch je weiter ich kam, desto besser hat mir das Buch
gefallen. Die Dialoge zwischen Strulovitch und Shylock wurden für mich
wesentlich interessanter. Zudem haben die beiden eine spannende Dynamik
entwickelt. Einerseits sind sie sich teils sehr ähnlich und dann doch eher wieder
wie Tag und Nacht. Jeder zeigt für mich eine andere Seite. Shylock scheint das
Jüdischsein mit jeder Faser zu unterstützen, zu durchdenken und irgendwie das
Jüdischsein seit Anbeginn der Zeit zu verkörpern. Strulovitch hingegen ist
moderater, fast aufgeklärt und durchaus in der modernen Welt angekommen. Er
hinterfragt meiner Meinung nach weniger, besucht nicht oder nicht oft die
Synagoge oder die traditionellen Riten und Feste, aber dennoch ist er nicht
völlig ungläubig.
Auch der andere Handlungsstrang um D’Anton und Plurabelle
wurde mir sympathischer. Zu Beginn konnte ich keinen richtigen Zugang dazu
finden. Dies änderte sich, als sich beide Handlungsstränge annäherten.
Sehr mochte ich die geschickt eingebunden Verweise zum Original.
Manche Dinge sind eins zu eins übernommen oder klar erkennbar, anderes hingegen
ist schwerer zu erkennen und mir ist sicher auch genug völlig entgangen. Venedig
spielt lange Zeit keine Rolle spielte, daher hat es mich gefreut, dass die
Stadt letztlich auch ein Handlungsort wird, denn so rückt Jacobsons Version für
mich noch ein Stückchen näher an die Vorlage heran.
Shylocks kurze Rede auf dem Fest am Ende war ein Highlight
für mich. Blieb er am Anfang des Buches für mich erst nicht ganz greifbar, so
hat er mehr und mehr an Substanz gewonnen. Er wurde wirklich ein spannender
Charakter und ich finde seine Darstellung sehr gelungen. Sicher, bis zum Ende
hin nicht der Sympathieträger, aber manchem, was er sagt kann ich dennoch
zustimmen und seine Gedankengänge sind interessant, egal wie fern sie mir teils
auch sind.
Mein Fazit: Die
Lektüre ist anspruchsvoll und anstrengend, doch durchhalten lohn sich. Am Ende
konnte mich das Buch positiv überraschen. Nachdem mich das erste Drittel sehr
demotiviert hat und ich auch jetzt noch denke, dass man es hätte straffen
können, wurde es dann doch fast mit jeder Seite besser, so dass ich letztlich
guten Gewissens vier von fünf Sternen vergebe. Alles in allem eine gelungene
Adaption.
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