Samstag, 9. April 2016

Romeo & Romy






  • Erscheinungsdatum Erstausgabe : 11.04.2016
  • Aktuelle Ausgabe : 11.04.2016
  • Verlag : Insel Verlag
  • ISBN: 9783458361411
  • Flexibler Einband 491 Seiten
  • Genre: Roman







Romy stammt aus Großzscherlitz, einem kleinen Dorf im Erzgebirge. Sie ist vor Jahren ausgezogen, um eine berühmte Schauspielerin zu werden. Berühmt geworden ist sie auch, allerdings als eine der besten Souffleusen. Aber als sie gekündigt wird und ihre Oma stirbt, kehrt sie in ihr Heimatdorf zurück, um ihre Wunden zu lecken und zur Ruhe zu kommen. Dort angekommen stellt Romy fest, dass die Zeit anscheinend stehen geblieben ist, das Dorf stirbt aus, es kommen keine Besucher, alles ist trostlos, es sieht aus wie im Mittelalter. Die Alten sind vereinsamt und kämpfen nur noch um die letzten beiden Grabstätten auf dem Friedhof. „Sie war einsam. Alle im Dorf waren das. Gemeinsam einsam.“ (S. 81)
Zu Romys Erbe gehört neben dem Haus auch eine baufällige Scheune. Sie kann nicht weiter zusehen, wie die Alten versuchen, möglichst bald zu sterben und hat eine Idee: sie wird die Scheune in ein elisabethanisches Theater umbauen. Ihre eigene Bühne - und die Welt wird ins Dorf kommen, wenn das Dorf schon nicht in die Welt geht!
So verrückt die Idee anfangs auch scheint, es funktioniert. Zuerst kommen die Bewohner nur zum Schauen, aber nach und nach packen alle mit an – das Dorf rückt immer mehr zusammen. „Sie bauten nicht nur ein Theater. Sie bauten sich ein neues Leben.“ (S. 209)

Aber der Ausbau der Scheune ist nicht das einzige Problem, sie brauchen auch Schauspieler. Das Zugpferd der Aufführung ist Ben, der „Frischedoktor“ aus einem Waschmittelspot und Romys letzter Flirt. Die anderen Rollen sollen von den Alten besetzt werden – sozusagen „Romeo und Julia“ im Altersheim (auf sächsisch!). Das stößt nicht nur auf Gegenliebe: „Die meisten sind über siebzig, Romy! Du kannst Romeo doch nicht im Rollator über die Bühne schicken. ... Und was ist mit dieser Balkonszene? Da brauchen wir ja einen Treppenlift!“ (S.228)

„Romeo und Romy“ ist so ganz anders als erwartet. Leise, ruhig, bedächtig – wie die Bewohner des Dorfes. Es schleicht sich von hinten an und zieht einem die Beine weg. Die Protagonisten und die Handlung sind makaber und surreal. Ein Dorf, das ausstirbt; Bewohner, die versuchen, sich vor den Bus zu werfen oder beim Fensterputzen aus selbigem zu stürzen... Aber als sie endlich wieder eine Aufgabe haben, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Neue Freunde finden sich und alte vertragen sich endlich wieder. Einige geben sogar ihr Leben für Romys Traum, aber vorher haben sie wenigstens nochmal gelebt: „Die Alten sterben, weil sie das sowieso tun. Aber vorher hatten wir soviel Spaß wie seit Jahren nicht mehr!“ (S. 452)
Sie sind in ihrer Art sehr sympathisch, man fühlt und leidet mit ihnen, möchte aber gerade Romy und Ben auch ab und an schütteln, wenn sie sich wieder in ihrem Kleinkrieg verzetteln.

Zwei kleine Mankos hatte das Buch aber für mich: die Kapitel waren mir oft zu kurz und ich hätte mir manchmal etwas mehr Spannung gewünscht, wenn die Handlung gar zu sehr dahinplätscherte.

Aber es gab auch ein persönliches Highlight: ein kleiner Teil des Romans spielt in meiner Heimatstadt Dresden, unter anderem im Schauspielhaus, wo auch ich sehr gerne zu Theaterpremieren gehe.

Mein Fazit: Eine Ode an die Menschlichkeit. Voller großer Gefühle. Nichts für Zwischendurch.



Vielen Dank an den Shurkamp Insel Verlag für das Rezensioneexemplar. Hier findet Ihr alle weiteren Informationen zum Buch.

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