Montag, 26. September 2016

Die Nachtigall von Kristin Hannah



Erschütterndes Kriegsschicksal zweier Schwestern


Genre: Roman
Erscheinungsdatum Erstausgabe:
19.09.2016
Aktuelle Ausgabe: 19.09.2016
Verlag : Rütten & Loening Berlin
Übersetzung: Karolina Fell
ISBN: 978-3-352-00885-6
Fester Einband 608 Seiten
Sprache: Deutsch
Preis: 19,99 €




Mit „Die Nachtigall“ ist der bekannten und erfahrenen US amerikanischen Autorin Kristin Hannah ein zutiefst unter die Haut gehendes Werk gelungen. „Die Nachtigall“ hat mich ähnlich stark ergriffen wie Irène Némirovskys „Suite Française“. Beide Romane nehmen das Motiv des 2. Weltkrieges in Frankreich aus Sicht der Zivilbevölkerung auf. In Beiden spielt das Vichy-Régime eine direkte oder indirekte Rolle. Auf „Die Nachtigall“ bin ich durch die Bloggeraktion des Aufbau Verlages und den Hinweis einer lieben Freundin gestoßen. Trotz Vorwarnung mussten zahlreiche Taschentücher herhalten, weil mich dieses Buch so bewegt hat. Ich benötigte einige Tage, um das Gelesene zu verarbeiten, möchte die Lektüre aber auf keinen Fall missen!



Die Protagonistinnen dieses Romans sind zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während die ältere Schwester Vianne eher angepasst und ängstlich durchs Leben schreitet, ist die wesentlich jüngere Schwester Isabelle von klein auf ein Rebell. Beiden gemein ist der frühe Verlust der Mutter und die Abschiebung durch den Vater, der sie nach dem Tod der Mutter in die Obhut einer lieblosen Frau auf den Landsitz der Familie gibt.

Die Haupthandlung spielt im 2. Weltkrieg, im besetzten Frankreich. Vianne lebt nach wie vor mit ihrem Mann Marc und Tochter auf dem Landsitz der Familie, doch Marc wird in den Krieg einberufen, so dass die etwas unselbständige Vianne plötzlich auf sich gestellt ist. Indes wird Isabelle mal wieder aus dem Internat geworfen und versucht erneut beim Vater Julien in Paris zu wohnen. Dieser schickt sie aber mit anderen Flüchtenden zu Vianne aufs Land. Auf dem Weg, den Isabelle nur widerwillig antritt, muss auch sie sich schließlich alleine durchschlagen und trifft auf Gaëton, einen jungen Widerstandskämpfer der Résistance. Mit ihm gemeinsam schafft sie es, körperlich völlig erschöpft sowie von den Ereignissen und Angriffen auf die Zivilisten zutiefst erschüttert, bis zum Familienlandsitz. Dort lässt Gaëton Isabelle alleine zurück.
So bleibt Isabelle zunächst bei Vianne. Im Zusammenleben wird nur allzu deutlich wie unterschiedlich die Schwestern doch sind. Vianne gibt sich mehr oder weniger in ihr Schicksal und nimmt es hin, dass ein deutscher Hauptmann bei ihr einquartiert wird. Isabelle jedoch kann sich mit der Situation nicht abfinden. Daher schließt sie sich der Résistance an. Sie verteilt heimlich Flugblätter und später hilft sie sogar unter dem Decknamen "Die Nachtigall" Piloten der Alliierten über die Pyrenäen nach Spanien zu fliehen.
Vianne muss derweil nicht nur die Trennung von ihrem Mann Marc ertragen, sondern auch die Deportation ihrer Freundin Rachel. Zudem muss sie für das Wohlergehen ihrer Tochter Sarah sowie ihren Ziehsohn Daniel sorgen – und das alles unter den Augen der Nazis und der unberechenbaren Kollaborateure.

Kristin Hannah gelingt es, die bedrückenden Situationen, die an die physischen Grenzen führenden Repressalien, die vergiftete Atmosphäre und dramatischen Ereignisse so dermaßen greifbar zu machen, dass ich zuweilen das Gefühl hatte, direkt daneben zu stehen. Ich erlitt imaginär selber die physischen, und psychischen Qualen der Protagonisten. Besonders beeindruckt haben mich die Beschreibungen des heuschreckenartigen Überfalls der hungrigen Flüchtenden auf die Obst- und Gemüseanbauten Viannes, die versuchte Flucht Rachels sowie die Szenen der Deportation Isabelles und im Arbeitslager.
Als bereichernd empfand ich zudem die zeitlichen Perspektivwechsel zwischen Heute und Kriegszeit, die zusätzlich Spannung erzeugten.
Die Charakterzeichnungen des Romans sind so tiefgehend und realistisch, dass ich klare Vorstellungen entwickeln und die Veränderungen der Personen gut nachvollziehen konnte. Ob der widerwärtige, dicke und kollaborierende Polizist Paul, die gutherzigen aber handfesten baskischen Fluchthelfer Micheline Maribeau und Edouard, der trinkende, offenbar resignierte Vater, Buchhändler und Dichter Julien Rossignol oder die treue Freundin Rachel und die charakterlich stark unterschiedlichen deutschen Hauptmänner Beck und von Richter - jeder Charakter erhält genau die Tiefe und Entwicklung, die er benötigt.
Sicher ist der Identifikationsgrad mit der kämpferischen Isabelle zunächst bei den meisten Lesern höher als mit der eher schwachen Vianne. Doch bei ehrlicher und kritischer Selbstbetrachtung sind die Charakterzüge Viannes sicher verbreiterter als die von Isabelle. Außerdem muss hier ihre Situation als Mutter in Betracht gezogen werden, die ihr die etwas defensivere Rolle zuweist.
An dieser Stelle muss ich aufpassen, nicht zu viel zu verraten und ziehe daher nun mein Fazit!


Fazit:
Eine absolute Leseempfehlung für diese bewegende Kriegsgeschichte aus der Perspektive zweier Schwestern, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Mit emotionalen Schilderungen, tollen Charakterzeichnungen und geschichtlich interessanten Aspekten, schaffte es dieser Roman mich zutiefst zu ergreifen, nachdenklich zu stimmen und in seinen Bann zu ziehen!

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