Ein bewegendes Zeitportrait
von Rafael Seligmann & Shlomo Birnbaum
Gebundene Ausgabe: 176 Seiten
Verlag: Verlag Herder
ISBN-13: 978-3451375866
Genre: Zeitzeugnis / Biographie
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Wie kommt ein Überlebender des Holocaust dazu, später
ausgerechnet nach Deutschland zu fliehen und dort sein Leben aufzubauen? Diese
Frage hat mich nicht losgelassen und so habe ich mich schließlich entschlossen,
das Buch zu lesen.
Rafael Seligmann erzählt die Geschichte von Shlomo Birnbaum
in eindringlicher, offener aber dennoch behutsamer Art und Weise. Das Buch
beruht in erster Linie auf den zahlreichen Gesprächen zwischen den beiden. In
Shlomo Birnbaums Erzählungen und Erinnerungen hat der Autor historische Daten
und Dokumente eingeflochten, so dass ein bewegendes Zeitzeugnis entstanden ist.
Shlomo Birnbaum wuchs in Polen auf und erlebte dort als
kleiner Junge den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Sein Vater erkennt zwar die
Zeichen der Zeit, doch alle Versuche aus dem Land zu fliehen scheitern und die Familie
muss in dem Ghetto von Tschenstochau um ihr Überleben kämpfen. Durch die Grauen
des Krieges und die grausame Willkür der Nazis und mit ihnen zahlreicher
Ukrainer und auch Polen, verliert Shlomo beinahe seine ganze Familie. Dem
Geschick, Glück und der Klugheit seines Vaters ist es zu verdanken, dass Shlomo
den Holocaust überlebt hat. Doch auch nach der Befreiung Polens ist das Leben
unzähliger Juden bedroht, denn der Antisemitismus brodelt vielerorts unverhohlen
weiter. Eine Flucht scheint der einzige Weg zu sein und treibt Shlomo ausgerechnet
nach München. Auch wenn es nie das Ziel war, in Deutschland zu bleiben, so
wohnt Shlomo Birnbbaum noch heute dort, hat seine Frau aus Israel hergeholt und
seine Kinder in Bayern großgezogen.
Auf Seite 158 berichtet Rafael Seligmann, dass Shlomos Sohn einmal
sagte, „dass sein Großvater das Erlebte nüchtern erzählt habe, ˒˒niemals
bedrückend oder angsteinflößend. Er hat einfach berichtet, was geschehen ist.˓˓“
So habe ich auch dieses Buch empfunden. Es war nicht belastend, aber ehrlich
und nüchtern und es hat nichts beschönigt. Durch die fast unaufdringliche Art
wurden die Schrecken des Krieges nicht gemildert und gerade die Erlebnisse nach
dem Krieg haben mich schockiert. Auch wenn mir durchaus bewusst war, dass nach
der Befreiung durch die Alliierten nicht direkt alles wieder normal war und es
den Menschen plötzlich gut ging, so haben mich die Schilderungen berührt,
erschreckt und vor allem auch sehr nachdenklich gemacht.
Immer wieder ist im Buch die große Liebe von Shlomo Birnbaum
zu seinem Vater und zu seiner Familie zu spüren und so waren es auch seine
Söhne, auf deren Initiative hin dieses Buch entstanden ist.
Mein Fazit: „Ein Stein auf meinem Herzen“ ist ein
eindringliches Zeitportrait, dass durch seine unsentimentale und doch sehr
persönliche Art ein dunkles Kapitel in der Geschichte Europas beleuchtet und
mir sicher noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Eine klare Leseempfehlung.
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