Dienstag, 25. Juli 2017

Als die Liebe endlich war





  • Erscheinungsdatum Erstausgabe : 10.03.2016
  • Aktuelle Ausgabe : 13.06.2017
  • Verlag : Diana
  • ISBN: 9783453359536
  • Flexibler Einband
  • Sprache: Historischer Roman
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Sprachlos

Larchmont 2010: Carl und Emmi sind seit 60 Jahren zusammen und lieben sich wie am ersten Tag. Als ihre Nachbarin ihm Unterlagen ihres verstorbenen Mannes mit der Bitte um Übersetzung bringt, will er eigentlich ablehnen. Was verbindet ihn denn noch mit Deutschland? Er hat sich seit der Flucht mit seiner Familie als 12jähriger mit nicht mehr als Deutscher gefühlt. Außerdem findet Emmi, dass er sich zu sehr darüber aufregt. Denn jetzt überrollt die Erinnerung ihn. Emmi und er haben nie über Deutschland gesprochen, sich in Amerika neu erfunden. "Es gibt nur ein Heute, Carl, vorher war ich niemand." "Es gibt immer ein Gestern." (S. 375)

1938 sucht Carls Mutter ihr Heil in der Flucht vor den Nazis. Als katholisch Frau eines getauften Juden hat sie es nicht leicht, genau wie die Kinder Carl und Ida. Also nutzt Grete die Chance, als ihr die Tickets für ein Auswandererschiff nach Shanghai quasi in den Schoß fallen. Aber ihr Mann Erwin will nicht weg: „Ich will lieber tot sein als gehen.“ (S. 56). Er ist schon in Genua und auf dem Schiff, als er umkehrt.
Doch auch auf dem Schiff sind sie als Juden und Flüchtlinge nicht frei. Sie dürfen nirgendwo als dem Bestimmungsort von Bord gehen. „Die Conte Biancamano ist der goldene Käfig, in dem wir sitzen.“ (S. 84)
In Shanghai scheint sich ihre Situation endlich zu verbessern: „In einer Welt, in der die Hälfte uns verfolgt und die andere uns nicht haben will, ist der Ort, der uns nur als Fremde sieht, wohl wirklich das Paradies.“ (S. 125) Und dann passiert Pearl Harbor ...

Erna geht 1938 als Hausmädchen zu ihrer Tante Marga nach München. Diese ist „Lebensberaterin“, liest für Berühmtheiten aus Karten die Zukunft und veranstaltet Séancen. 1943 wird Marga verhaftet. Erna kann sich erst aufs Land und 1946 dann nach Amerika retten.

Ich kannte die Autorin bis zu diesem Buch noch nicht und hätte es aufgrund des Titels auch nie in die Hand genommen (es sah zu sehr nach Liebesgeschichte aus). Aber dann hat Barbara auf ihrem Blog sommerlese davon berichtet und mich neugierig gemacht.

Aus der Sicht von Carl und Erna werden 2 Wege beschrieben, wie Deutsche den 2. WK überlebt haben. Carl ging damals mit seiner Familie nach Shanghai. Er wurde schnell erwachsen, lernte unter allen Umständen zu überleben. Und er fühlte sich nicht mehr als Deutscher, war zum Kosmopoliten geworden.
Erna hingegen kam aus einem behüteten Elternhaus zur Tante und lebte bis zu deren Verhaftung relativ unbeschwert, hatte die Tante doch Beziehungen bis in höchste Regierungskreise. Erna hatte sich angepasst, sie war nicht dumm, versuchte immer, sich einen Fluchtweg offenzuhalten.
Als Carl 2010 die Unterlagen seines Nachbars durchgeht und Nachforschungen anstellt, stolpert er über ein Detail aus Emmis Vergangenheit. Ein Foto. Ist die Frau darauf wirklich seine Emmi?!

„Als die Liebe endlich war“ ist ein extrem berührendes Buch. Sehr fesselnd beschreibt A. M. Schenkel, wie die Menschen ums Überleben kämpfen und immer wieder Entscheidungen treffen, die ihr Leben radikal verändern und über die sie dann zum Teil noch Jahrzehnte später grübeln.

Carl war mir besonders sympathisch. Auf dem Schiff und in Shanghai ist er plötzlich der Mann in der Familie. Er lebt sich sehr schnell ein und wird erwachsen. Durch seine Augen habe ich eine extrem farbenprächtige und gegensätzliche Stadt kennengelernt, regiert von der Mafia und korrupten Behörden. Auch hier sind sie nur Ausländer.
Und auch mit Emmi hab ich eher Mitleid und Verständnis. Ich kann nicht wütend oder enttäuscht sein, obwohl sie es sicher verdient hätte.

Im Nachwort erzählt die Autorin, dass sie sich von realen Personen inspirieren lassen hat und das merkt man dem Buch auch an. Für mich waren sie real, ich habe mit ihnen gelitten und gehofft, geliebt und gebangt. Es gibt sicher viele Schicksale wie das von Carl und Emmi – Paare, die nicht über DEN einen wichtigen Fakt in ihrer Vergangenheit geredet haben. Weil Schweigen manchmal besser ist, als sich seine Fehler oder Schwächen einzugestehen.

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