- Erscheinungsdatum Erstausgabe : 10.03.2016
- Aktuelle Ausgabe : 13.06.2017
- Verlag : Diana
- ISBN: 9783453359536
- Flexibler Einband
- Sprache: Historischer Roman
Larchmont
2010: Carl und Emmi sind seit 60 Jahren zusammen und lieben sich wie am ersten
Tag. Als ihre Nachbarin ihm Unterlagen ihres verstorbenen Mannes mit der Bitte
um Übersetzung bringt, will er eigentlich ablehnen. Was verbindet ihn denn noch
mit Deutschland? Er hat sich seit der Flucht mit seiner Familie als 12jähriger
mit nicht mehr als Deutscher gefühlt. Außerdem findet Emmi, dass er sich zu
sehr darüber aufregt. Denn jetzt überrollt die Erinnerung ihn. Emmi und er haben
nie über Deutschland gesprochen, sich in Amerika neu erfunden. "Es
gibt nur ein Heute, Carl, vorher war ich niemand." "Es gibt immer ein
Gestern." (S. 375)
1938
sucht Carls Mutter ihr Heil in der Flucht vor den Nazis. Als katholisch Frau
eines getauften Juden hat sie es nicht leicht, genau wie die Kinder Carl und
Ida. Also nutzt Grete die Chance, als ihr die Tickets für ein Auswandererschiff
nach Shanghai quasi in den Schoß fallen. Aber ihr Mann Erwin will nicht weg: „Ich
will lieber tot sein als gehen.“ (S. 56). Er ist schon in Genua und auf
dem Schiff, als er umkehrt.
Doch
auch auf dem Schiff sind sie als Juden und Flüchtlinge nicht frei. Sie dürfen
nirgendwo als dem Bestimmungsort von Bord gehen. „Die Conte Biancamano ist der
goldene Käfig, in dem wir sitzen.“ (S. 84)
In
Shanghai scheint sich ihre Situation endlich zu verbessern: „In
einer Welt, in der die Hälfte uns verfolgt und die andere uns nicht haben will,
ist der Ort, der uns nur als Fremde sieht, wohl wirklich das Paradies.“
(S. 125) Und dann passiert Pearl Harbor ...
Erna
geht 1938 als Hausmädchen zu ihrer Tante Marga nach München. Diese ist
„Lebensberaterin“, liest für Berühmtheiten aus Karten die Zukunft und
veranstaltet Séancen. 1943 wird Marga verhaftet. Erna kann sich erst aufs Land
und 1946 dann nach Amerika retten.
Ich
kannte die Autorin bis zu diesem Buch noch nicht und hätte es aufgrund des
Titels auch nie in die Hand genommen (es sah zu sehr nach Liebesgeschichte
aus). Aber dann hat Barbara auf ihrem Blog sommerlese davon berichtet und mich
neugierig gemacht.
Aus
der Sicht von Carl und Erna werden 2 Wege beschrieben, wie Deutsche den 2. WK
überlebt haben. Carl ging damals mit seiner Familie nach Shanghai. Er wurde
schnell erwachsen, lernte unter allen Umständen zu überleben. Und er fühlte
sich nicht mehr als Deutscher, war zum Kosmopoliten geworden.
Erna
hingegen kam aus einem behüteten Elternhaus zur Tante und lebte bis zu deren
Verhaftung relativ unbeschwert, hatte die Tante doch Beziehungen bis in höchste
Regierungskreise. Erna hatte sich angepasst, sie war nicht dumm, versuchte
immer, sich einen Fluchtweg offenzuhalten.
Als
Carl 2010 die Unterlagen seines Nachbars durchgeht und Nachforschungen
anstellt, stolpert er über ein Detail aus Emmis Vergangenheit. Ein Foto. Ist
die Frau darauf wirklich seine Emmi?!
„Als
die Liebe endlich war“ ist ein extrem berührendes Buch. Sehr fesselnd
beschreibt A. M. Schenkel, wie die Menschen ums Überleben kämpfen und immer
wieder Entscheidungen treffen, die ihr Leben radikal verändern und über die sie
dann zum Teil noch Jahrzehnte später grübeln.
Carl
war mir besonders sympathisch. Auf dem Schiff und in Shanghai ist er plötzlich
der Mann in der Familie. Er lebt sich sehr schnell ein und wird erwachsen.
Durch seine Augen habe ich eine extrem farbenprächtige und gegensätzliche Stadt
kennengelernt, regiert von der Mafia und korrupten Behörden. Auch hier sind
sie nur Ausländer.
Und
auch mit Emmi hab ich eher Mitleid und Verständnis. Ich kann nicht wütend oder
enttäuscht sein, obwohl sie es sicher verdient hätte.
Im
Nachwort erzählt die Autorin, dass sie sich von realen Personen inspirieren
lassen hat und das merkt man dem Buch auch an. Für mich waren sie real, ich
habe mit ihnen gelitten und gehofft, geliebt und gebangt. Es gibt sicher viele
Schicksale wie das von Carl und Emmi – Paare, die nicht über DEN einen
wichtigen Fakt in ihrer Vergangenheit geredet haben. Weil Schweigen manchmal
besser ist, als sich seine Fehler oder Schwächen einzugestehen.
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