- Erscheinungsdatum Erstausgabe : 16.08.2017
- Verlag : Atlantik Verlag
- ISBN: 9783455650860
- Flexibler Einband 352 Seiten
- Genre: Roman
„Bücher liefern keine Antworten, weil das
Leben keinen Sinn hat“
Samantha
ist neu am College in Oxford. Da das Wohnheim angeblich hoffnungslos überfüllt
ist, wird sie allein in einem abgeschiedenen Turm
von 1316 – einer ehemaligen Quarantänestation für Pestopfer – untergebracht.
Ihr Zimmer ist unheimlich. Die Wandfarbe rot wie Blut und dann hängt da dieses
schreckliche düstere und bedrückende Gemälde der „Gouvernante“. Andererseits
ist ihr diese abgeschiedene Lage ganz recht, denn nach dem Tod ihres Vaters ist
sie die letzte Nachfahrin der berühmten Brontë-Schwestern und die Presse sowie
diverse Forscher sind hinter ihr her. Zu letzteren gehört der Intimfeind ihres Vaters,
Sir John Booker, einer mehrfach ausgezeichneten Koryphäe auf dem Gebiet der
Brontë-Forschung „Keiner konnte Sir John das Wasser reichen, nicht einmal er selbst.“
(S. 122)
Samantha,
Sam, studiert Literaturwissenschaften. Ihr Tutor James
Orville ist nur ca. 10 Jahre älter als sie und ihre Streitgespräche über den
Unterrichtsstoff sind sehr explosiv. Sie erhofft sich von ihm das Studium der Werke
der Brontës, um hinter das kryptische Erbe ihres Vaters zu kommen, aber er
weißt dies kategorisch ab. Er mag die Brontës nicht besonders! Außerdem fühlt
sich Sam von Beginn zu ihm hingezogen ...
Ich
bin ehrlich, ich hatte etwas anderes erwartet. Eine Familiengeschichte, dunkle
Geheimnisse, Rätsel, eine sich zart anbahnende Liebesgeschichte. Und der Beginn
des Buches hat meine Erwartungen auch erfüllt. Sams Kindheit und Jugend mit ihrem
Vater wird beleuchtet, ihre Rituale, die Bildung, die er ihr angedeihen lies,
da er sie zu Hause unterrichtet hat.
Aber
dann kommt Sam in Oxford an und es wird stellenweise surreal. Orville ist ihr
einziger Tutor. Sie studiert ausschließlich bei ihm und der Unterricht besteht
aus genau einer Einzelstunde in der Woche, in der sie über die Hausaufgaben und
Aufsätze der Vorwoche diskutieren. Ansonsten lebt sie zurückgezogen in ihrem
Turm, scheint nur einmal im Monat in den gemeinsamen Ess-Saal der Studenten zu
gehen. Orville ist ihr einziger sozialer Kontakt! Ist das glaubwürdig? Also
mein Studium war damals vielfältiger. In ihrer Einsamkeit wird sie der
Gouvernante auf dem Bild und der Figur aus „Jane Eyre“ immer ähnlicher: bleich,
dünn, unverheiratet und Orvilles Schutzbefohlene ... Die Anspielungen an die
Brontës finden sich immer wieder im Roman.
Und
dann setzt sich Sam eben doch fast ausschließlich mit den Werken der Brontës
und den Erinnerungen an ihren Vater auseinandersetzen – sind ihre Vorstellungen
und ihr Wissen (die ja von ihm geprägt wurden) alle falsch? Wurde sie von ihm
beeinflusst, manipuliert?! „Liebe hinterlässt immer Narben."
(S. 27)
An
einigen Stellen hatte ich das Gefühl, eine Interpretationshilfe für die Romane
der Brontë-Schwestern zu lesen. Es war sehr wissenschaftlich und die Bücher
wurden durch die immer wiederkehrenden Streitgespräche vielfältig hinsichtlich
ihrer Deutung beleuchtet. Sam spielt hier m.E. nur eine Nebenrolle, um das
Leben und Schaffen der Brontës zu beleuchten. Dabei gibt es viele Parallelen zu
ihrem eigenen Leben.
Trotz meiner vorangegangen leichten
Kritik ist das Buch spannend, mystisch, arbeitet mit Verweisen und ist
unterhaltsam geschrieben.
Ich denke, wer die Brontës
mag, mag auf jeden Fall auch das Buch, beim normalen Leser bin ich da unsicher.
Zumal ja der Klappentext nicht 100 % zum Inhalt passt und evtl. falsche
Vorstellungen weckt.
4 Sterne für diese
literarische Schatzsuche, auch wenn sie sicher nicht alle Leser begeistern
wird.
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