ISBN : 9783423262019
Ausgabe : Flexibler Einband
Umfang : 384 Seiten
Verlag : dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum : 22.06.2018
Genre : Historischer Krimi
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG)
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Leseexemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Leseexemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Alte Wunden
„Das Laub raschelte sommerlich
leise im Wind, was aber nicht darüber hin wegtäuschen konnte, dass tausendfach
das Klingen von Hämmern auf Ziegelsteinen wie ein hartnäckiger Tinnitus über
der Stadt lag.“ (S. 6)
Sommer 1948 in Dresden. Es
ist unerträglich heiß. Der Krieg ist seit 3 Jahren vorbei aber die Stadt liegt noch
immer weitgehend in Trümmern. Auch Karin, die Frau von Oberkommissar Max
Heller, gehört zu den Trümmerfrauen, welche die alten Wunden ihrer Heimat
beseitigen, damit sie neu aufgebaut werden kann.
Heller wird zu einer
Baustelle gerufen, auf der ein toter Junge gefunden wurde. Ist der vielleicht
vom Kran gestürzt? Aber äußere Verletzungen fehlen. Als Heller ihn sich genauer
anschaut, ist er entsetzt. Der Junge hat unzählige blaue Flecken in
verschiedenen Stadien, ist eindeutig über längere Zeit misshandelt worden! Doch
seine Eltern und Brüder sind seltsam ungerührt, als sie von seinem Tod
erfahren. Auch die Mitschüler und der Lehrer wussten angeblich von nichts. „Es
gibt keine Menschlichkeit mehr.“ (S. 312).
Der Fall, die
Kindesmisshandlung, reißt bei Heller alte Wunden auf. Sein Gewissen quält ihn –
wegen damals. Was genau „damals“ war, erfährt man nur Stück für Stück und
andeutungsweise. Verwunden hat er es nie.
Schnell wird klar, dass der
Junge zu einer Bande gehörte, die in illegale Geschäfte verwickelt ist. Aber
wer steckt dahinter? Verdächtig sind eigentlich alle in den Fall Involvierten. Aber
niemand redet.
Außerdem muss sich Heller mit
seinem Sohn Klaus auseinandersetzen. Der gehört zur politischen Polizei und
will seinem Vater den Fall entziehen. Vater und Sohn entfernen sich nicht nur
politisch immer mehr voneinander. Klaus ist ein sogenannter 100%iger, heißt
alles gut, was die sowjetischen Besatzer machen. Schließlich haben die
Deutschen ihnen im Krieg Unsägliches angetan. Dass sein „Verein“ immer mehr an
die Nazis erinnert, will er nicht einsehen.
Immer mehr Menschen
verschwinden nach „Drüben“. Die Gerüchte mehren sich, dass die westlichen
Besatzungsmächte ihre Zonen abriegeln. Die D-Mark wird eingeführt und die Angst
vorm nächsten Krieg wächst.
Und dann ist da noch die Angst
um Annie, das Pflegekind, das Max und Karin aus dem Kinderheim aufgenommen
haben. Sie spricht kaum und hat jede Nacht Albträume – was hat sie erleben
müssen?
Frank Goldammer webt auch in
„Vergessenen Seelen“ wieder eine sehr dichte Atmosphäre, aufgeladen wie das
Wetter. Menschliche Abgründe tun sich auf und Wut entlädt sich wie die kräftigen
Gewitter. Heller hetzt über Trümmerberge und durch Ruinen, scheint immer einen
Schritt hinterherzuhinken. Weitere Beteiligte sterben, er gerät selbst in
Lebensgefahr. „Noch immer tötet dieser Krieg, obwohl er längst vorbei ist.“
(S.138)
Der Fall ist mir extrem zu
Herzen gegangen und hat mich bis zuletzt in Atem gehalten. Immer wieder bringt
er neue Verdächtige und Tatmotive und am Ende ist klar – wohl niemand war
damals ohne Schuld. Auch Max Heller nicht.
Als Dresdnerin kenne ich die
Straßen und Plätze sehr genau und bin immer wieder fasziniert, wie umfassend
der Autor für seine Bücher recherchiert und was er alles einfließen lässt.
Diese Woche, genau 70 Jahre
nach dem Handlungszeitpunkt des Buches, erheben sich wieder rote
Ziegelnebelschwaden und Hämmern über das heiße Dresden. Alte Ziegelbauten
müssen für die Hafencity weichen und die Stimmung des Krimis wird sofort greifbar.
Mein Fazit: Unbedingt Lesen
und dem nächsten Band im Dezember entgegenfiebern!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen