ISBN : 9783499274107
Flexibler Einband : 416 Seiten
Verlag : ROWOHLT Taschenbuch
Erscheinungsdatum : 19.02.2019
Genre : Historischer Roman
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG)
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Zum Glück kein typischer „Insel-Arzt-Roman"
Frida studiert 1920 gegen den
Willen ihrer Familie in Hamburg Medizin. Ihr Großvater, das Familienoberhaupt,
hat ihr deswegen sogar den Geldhahn zugedreht. Als er stirbt fährt Frida zur
Beerdigung nach Hause nach Amrum – obwohl sie die Enge, Einschränkungen und
Konventionen auf der Insel hasst. Eigentlich will sie schnell zurück nach
Hamburg, aber dann erklären ihre Mutter und ihr Stiefvater, dass das Erbe ihres
Großvater viel kleiner ausfällt als erwartet – sie müssten das Inselhospital
schließen, welches ihr Großvater für lungenkranke Waisenkinder errichtet hat. Das
wollen Frida und ihre Schwestern Louise und Emily vermeiden, denn in Hamburg
herrschen schlimme Zustände, die Kinder kamen halb verhungert aus dem
Waisenhaus bei ihnen an. Da das Personal bereits entlassen wurde, kümmern sich
die drei jungen Frauen um die Kinder, bis ihnen hoffentlich eine bessere Lösung einfällt. Frida pausiert
sogar mit ihrem Studium.
Frida, Louise und Emily sind
sehr verschieden. Frida wirkt oft kühl und diszipliniert, aber sie brennt für
die Medizin und will unbedingt Ärztin werden. Alles Neue, wie z.B. die
Röntgenuntersuchungen, fasziniert sie. Sie will den Menschen helfen und scheut
sich nicht, auch andere um Hilfe zu bitten.
Die kecke Louise hat noch
keinen Plan für ihr Leben, liebt aber Amrum und will auf jeden Fall
hierbleiben. „... spürst Du nicht auch die Freiheit? Ein Blick übers Meer und Du
kommst zur Ruhe.“ (S. 68) Sie träumt von einer Ehe aus Liebe. Als ihre
Mutter ihr vorschlägt, einen 50jährigen Jagdfreund ihres Vaters zu heiraten,
verschwindet sie. Hat sie sich etwas angetan?
Emily träumt vom eigenen
Fotoatelier in Hamburg oder Berlin, ordnet sich aber dem Willen ihrer Mutter
und ihres Stiefvaters unter – schließlich geht nichts über die Familie. Nicht
einmal das eigene Glück? „Einer muss doch dafür sorgen, dass alles
weiterläuft.“ (S. 253)
Christian, der Halbbruder der
Schwestern, ist erst 13, sehr verzogen und wird permanent bevorzugt. Er war mir
extrem unsympathisch, weil er eine widernatürliche Freude daran hatte, hilflose
Tiere und schwächere bzw. kleinere Kinder zu quälen. Ihm hätte ich mehrfach
gern „den Hosenboden stramm gezogen“.
Luises Mutter ordnet sich
ihrem Mann komplett unter – was er sagt ist Gesetz und wird nicht hinterfragt. Auch
das Wohl ihrer Töchter scheint ihr leider nicht wirklich am Herzen zu liegen. Hauptsache,
der schöne Schein wird gewahrt. Ich konnte ihre Beweggründe nicht immer verstehen,
aber sie war als Figur trotzdem in sich stimmig.
Rudolf, der Stiefvater, tut nach
außen so, als würde ihm die Familie über alles gehen, dabei will er nur nicht seinen
Lebensstil aufrechterhalten. Er war mittellos und ist erst durch die Hochzeit
zu Geld gekommen ...
Das Setting ist in sich stimmig.
Die Autorin beschreibt die gegensätzlichen Lebensweisen auf der rauen Insel und
der vom Krieg in Mitleidenschaft gezogenen Großstadt, von arm und reich sehr
bildlich. Sie geht auch auf die Zustände in den Hospitälern und Waisenhäusern
ein, die zum Teil erschreckenden Behandlungs- und Forschungsmethoden, das Elend
in den Gängevierteln und die sich verbreitenden Heroinsucht so kurz nach dem 1.
WK.
„Das Seehospital“ hat mir
sehr gut gefallen. Helga Glaesener beweist wieder einmal, dass sie eine ganz
große Könnerin ihres Fachs ist. Ihr Buch hebt sich positiv von der Masse der
„Insel-Arzt-Romane“ ab. Sie verwendet keine stereotypen Charaktere, die
Personen und deren Handlungen passen genau in die damalige Zeit. Sie erspart
ihren Lesern vorhersehbare Liebesgeschichten und unnötige Happy Ends. Es muss
nicht alles gut ausgehen, das tut es im wirklichen Leben doch auch nicht.
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