ISBN : 9783764506506
Fester Einband : 496 Seiten
Verlag : Blanvalet
Erscheinungsdatum : 25.03.2019
Genre : Historischer Roman
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG): Vorab
Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung
gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende
Meinung.
Eine große Jugendliebe, losgelöst von Raum und Zeit
In der Reichspogromnacht am
9.11.1938 wird Aliza von einem Schrei geweckt – ihr Großvater wird von der
Gestapo abgeholt. Ihr Bruder Harald warnt die Familie, sie sollten lieber wie
viele andere Juden emigrieren, so lange es noch geht. Aber Alizas Vater Samuel ist
Arzt und will seine Heimat nicht verlassen. Das Haus, in dem sie leben und in
dem auch seine Praxis ist, gehört ihnen: „Ich kann es mir einfach nicht vorstellen,
mein ganzes Leben, alles was mich ausmacht, zurückzulassen.“ (S. 75)
Auch Aliza kann sich nicht
vorstellen, Berlin und ihre große Liebe Fabian zu verlassen. Es war bei Beiden
Liebe auf den ersten Blick und obwohl er kein Jude ist, will er Aliza an ihrem
18. Geburtstag heiraten. Doch innerhalb weniger Monate spitzt sich die Lage so dramatisch
zu, dass wenigstens Aliza mithilfe eines Kindertransports nach England in
Sicherheit gebracht werden soll. Es muss schnell gehen, da Aliza bald 17 wird
und dann zu alt dafür wäre ...
„Mehr als tausend Worte“ von
Lilli Beck erzählt die Geschichte einer großen Jugendliebe, die anscheinend
völlig losgelöst von Raum und Zeit existiert. Während die Welt um sie herum
immer judenfeindlicher wird, hat Aliza nur Augen und Gedanken für Fabian. Sie
ist sehr unreif, naiv und wird geradezu bockig, als sie nach England gehen
soll. Man merkt vielleicht, ich hatte so meine Probleme mit ihr. Sie verdrängt
die Repressalien gegen die Juden, erscheint verwöhnt und unselbständig, dabei
hat sie ihrem Vater oft in der Praxis geholfen und gesehen, was die Nazis
anrichten. Sie kommt aus einer aufgeklärten Familie und wollte selber Medizin
studieren, bevor es verboten wurde. Man könnte ihr zwar zugute halten, dass sie
erst 16 ist, aber auch später, als sie älter wird, ändert sich ihr Charakter
nicht wirklich.
In England wäre sie ohne
gleichaltrige Mizzi, die ebenfalls aus Berlin weggeschickt wurde, gescheitert.
Denn während Aliza sich nur selbst bemitleidet und nach Fabian verzehrt,
organisiert Mizzi ihrer beider Leben.
Viel spannender und
realistischer als Alizas Geschichte fand ich die Schilderungen der Überlebensbemühungen
ihrer zurückgebliebenen Familie in Berlin. Sehr bewegend beschreibt Lilli Beck
deren sozialen Abstieg. Alizas Bruder darf nicht mehr Medizin studieren,
sondern arbeitet als Leichenschieber in der Nachtschicht. Ihr Vater darf erst
nur noch Juden behandeln, dann gar niemanden mehr – sein Einkommen bricht weg.
Um irgendwie an Geld kommen hilft er anderen Juden entgegen seinem hippokratischen
Eid mit illegalen Methoden, Krankheiten vorzutäuschen, um der Zwangsarbeit zu
entgehen. Er versucht auch, das Haus zu retten indem er es pro Forma an den
Blockwart überschreibt – ein großer Fehler, wie sich herausstellen wird.
Neu war mir die geschilderte
Tatsache, dass in England lebende deutsche Juden nach Ausbruch des Krieges als
Nazis beschimpft und angegriffen worden. Gerade den Übergriffen in Deutschland
entronnen, wurden sie wieder zu Aussätzigen. Bei diesen Szenen hatte ich
Gänsehaut. Auch die Beschreibung der Trümmerwüste Berlins, in die Aliza nach
dem Krieg zurückkehrt, ist mir an die Nieren gegangen
Leider war mir das Ende etwas
zu konstruiert und happy, darum gibt es nur 4 von 5 Sternen, für diesen
ansonsten sehr spannenden und bewegenden Roman.
4 Kommentare:
Es scheint, als ob der Spagat aus Historie und Liebesgeschichte hier nicht geglückt ist :(
Aber ja, es gibt vieles, das man gar nicht auf dem Schirm hat - ich lese gerade gerade "An den Ufern der Seine" - sehr spannend, aber etwas lang :)
Gut dass Du mich vorwarnst, mit dem Buch habe ich auch geliebäugelt ...
Es ist definitiv keine Verschwendung, aber man hat ca. 30 Personen, zwischen denen ständig gewechselt wird. Es ist ein Treibsand-Buch - man liest und liest und trotzdem ist man erst bei S. 132 - von 614 ...
Och nö 🙈
Kommentar veröffentlichen