ISBN : 9783805203340
Fester Einband : 480 Seiten
Verlag : ROWOHLT Wunderlich
Erscheinungsdatum : 17.09.2019
Genre : Historischer RomanBuch kaufen
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Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Kein Mann. Kein Haus. Kein Kind.
Berlin 1952: Dank Rikes Erbe
konnte das Kaufhaus Thalheim erfolgreich wieder aufgebaut werden. Rike liebt
ihre Arbeit und ist traurig, dass ihr Vater ihren Bruder Oskar vorzieht, der
nach 7 Jahren aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt ist.
Zwischen beiden tobt ein erbitterter Machtkampf, den Oskars Zwillingsschwerter Silvie
nur zu gern stoppen möchte: „Vertrag dich mit Rike, anstatt immer nur
gegen sie zu kämpfen. Dein Wagemut und ihre Vorsicht ergänzen sich doch
eigentlich ganz vorzüglich.“ (S. 82)
Oskar ist zwar zurück, hat
den Krieg aber mitgebracht. „Sie kommen, Silvie, all die Toten sind auf
dem Weg.“ (S. 15) Er kann keine Nacht durchschlafen, rast lieber in
schnellen Autos durch Berlin und kennt jeden Nachtklub.
Silvie ist die einzige, die
sich nicht im Kaufhaus engagiert. Sie liebt ihr freies Leben, ihre Arbeit und
den Erfolg beim Radiosender RIAS. Und sie hat eine gute Nase für Trends. „Silvie
hat den Wandel im Blut, von der Familie bisweilen als
<<Unstetigkeit>> abgetan, dabei hat sie doch lediglich begriffen,
dass nichts so bleibt, wie es ist, und alles immer wieder anders werden muss.“
(S. 11) Außerdem kann sie sehr gut mit Menschen umgehen, wie sie in ihrer Sendung
„Stimmen“ jeden Freitageabend beweist. Doch privat sieht es weniger gut aus. „Kein Mann.
Kein Haus. Kein Kind.“ (S. 21) Ihr Lebensgefährte ist im
Stasi-Gefängnis Weißensee verstorben. Da begegnet ihr der aufstrebende junge
Schauspieler Wanja – könnte er ihre Zukunft sein?
Brigitte Riebe schließt mit
„Wunderbare Zeiten“ fast nahtlos an den ersten Teil der Familiensaga „Jahre des
Aufbaus“ an. Das Modekaufhaus läuft gut. Dank Rikes Mann und seiner Verbindung
zu Italien kommen sie an ausgefallene Stoffe und Miriam, die in Jerusalem nicht
glücklich ist, entwirft wieder ausgefallene Kleider für sie. (Interessant waren
in diesem Zusammenhang die Passagen über die Grenzgänger – Menschen, die im
Ostteil der Stadt, also der DDR, lebten und im Westen arbeiteten.)
Aber intern kriselt es. Oskar
kennt sich nicht mit dem Geschäft aus, ist unzuverlässig, trifft allein externe
Absprachen und lässt sich von ihrem ehemaligen Geschäftspartner Werner Brahm
einwickeln, dem Rike und Silvie nicht trauen.
Während sich im ersten Band
die Handlung um Rike und den Erhalt bzw. Wiederaufbau des Modekaufhauses
drehte, steht diesmal Silvie etwas mehr im Vordergrund. Sie steht für die
modernen Frauen der damaligen Zeit, ohne Mann und Kind, aber auf der Suche nach
der großen Liebe, sehr intelligent und mit einer eigenen Karriere. Sie interessiert
sich sehr das aktuelle Geschehen, Kunst und Kultur und so kann die Autorin
geschickt Tages- und Welt-Politik (wie z.B. die Aufstände in der DDR und
Ungarn), angesagte Schlager und Filme oder die Frankfurter Buchmesse in die
Handlung einflechte. Ihr Lebensgefühl, ihre Sehnsucht nach Freiheit und ihre Freude
über den Aufschwung jetzt endlich nach dem Krieg sind in jeder Zeile spürbar. Ich
habe mich Silvie nahe gefühlt und mich stets in sie einfühlen.
Silvies kleine Wohnung wird
zum Unterschlupf all derer, die sich gerade heimat- oder haltlos fühlen. „Weil
du das Herz der Familie bist, Silvie. Du fühlst, wo andere denken oder
urteilen, das liebe ich so an Dir.“ (S. 425) Neben ihrem Bruder Oskar wohnen
auch ihrer Nichte Florentine oder deren Freundinnen aus dem Ostteil der Stadt
kurzzeitig bei ihr. Dabei wird deutlich, wie sehr die Bürger der DDR zum Teil
unter ihrem Staat leiden. Lebensmittel sind noch immer knapp und es gibt sie
nur auf Marken und wer sich dem System nicht anpasst bekommt Ärger. Davon sind sogar
schon Jugendliche betroffen, wenn sie z.B. aus religiösen Gründen nicht in die
FDJ eintreten wollen. Für solche Menschen engagiert sich Silvies Onkel Carl
sehr. Er lebt und arbeitet als Anwalt in der DDR und will auch dort bleiben: „Ich
glaube, dass ich als Anwalt gerade dort gebraucht werde, wo die Ungerechtigkeit
am größten ist.“ (S. 272)
Die Familie Thalheim ist
insgesamt sehr groß und weitverzweigt. Die Autorin hat versucht, jedem Teil der
Familie gerecht zu werden und ihn in der Handlung zu berücksichtigen. Das war
mir an einigen Stellen zu viel, auch hat hier der Zufall etwas zu oft mitgemischt.
Von diesen kleinen
Kritikpunkten abgesehen hat mich „Wunderbare Zeiten“ wieder sehr gut
unterhalten und ich bin gespannt, wie es im 3. Teil weitergeht – steht dann
Florentine im Mittelpunkt?
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