Vorab Hinweis: Zwar wurde uns ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Der Sheriff von Brunngries
Als Brunngries‘ erfolgreichster Bauunternehmer Ludwig Holzinger tot in der Badewanne gefunden wird, auf dem Tisch neben ihm diverse Spirituosen und eine sehr teure Zigarre, überrascht das die Dorfbewohner kaum. Ludwig hat selber immer mit seinem frühen Tod gerechnet. „Der Holzinger hat immer Vollgas gegeben. Ob auf der Straße oder im Leben.“ (S. 26) Und als bei der Obduktion herauskommt, dass es Mord war, werden sofort seine negativen Seiten und Eigenschaften ans Licht gezerrt. Seine Zahlungsmoral als Unternehmer war unterirdisch, er lag mit seinen Geschwistern im Clinch und hat alles flachgelegt, was nicht bei drei auf dem Baum war. Tatmotive und -verdächtige gibt es also genug, aber wer hat ihn nun warum auf dem Gewissen?
„Prost, auf die Erben“ ist der zweite Fall, den Hauptkommissar Constantin Tischler in Brunngries ermitteln muss. Tischler hat sich inzwischen eingelebt und kennt die meisten Menschen im Ort, aber wenn es um Interna, kleine Geheimnisse oder Altlasten geht, sind ihm der übereifrige Polizeiobermeister Fink und vor allem dessen Mutter stets einige Schritte voraus. Zum Glück teilen sie ihr Wissen gern mit ihm, und zum Leidwesen von Tischlers Magen auch einige ungewöhnliche bayrische „Köstlichkeiten“.
Weil Holzingers Großbaustelle, ein Chaletdorf für Urlauber kurz vor der Fertigstellung, wegen der Ermittlungen stillgelegt wurde, hängen Tischler diesmal der Polizeioberrat und der Bürgermeister im Nacken. Er soll doch bitte an die Nachunternehmer und die fehlende Tourismuseinnahmen wegen der verzögerten Fertigstellung denken! Und Pressemeldungen á la „Mord in der Feriensiedlung“ sind ja auch ganz, ganz schlecht für Brunngries!
Auch privat läuft es nicht so richtig rund. Britta (Frau Dr. Neufeld), die er beim ersten Fall kennengelernt hat, lässt sich zwar weiterhin von ihm umwerben, ihn aber (noch?) nicht ran. Außerdem legt ihm weiterhin jemand aus seiner Vergangenheit gefaltete Papierkraniche auf die Fußmatte und erinnert ihn damit an ein Versprechen und eine große Schuld.
Friedrich Kalpenstein schreibt gewohnt humorvoll, mit viel Lokalkolorit („Die ganze Gegend ist ein einziger Heimatfilm …“ (S. 62)) und auch die Spannung des Kriminalfalles stimmt. Da ich lange in einer Baufirma gearbeitet habe, kamen mir beschriebenen Zustände auf der Baustelle und in der Branche leider nur zu bekannt vor – gemauschelt wird halt überall, das Setting passte perfekt.
Nur Tischler selbst ist für mich kein richtiger Sympathieträger – muss er ja aber auch nicht zwingend sein. Er bezeichnet sich als Sheriff von Brunngries und scheint wie aus einem alten Western gefallen: ein echter Macho mit O-Beinen, einem locker sitzenden Colt und zu viel Testosteron im Blut. Weich wird er nur bei seinem Jaguar E-Type 1969 und seiner Hightech-Kaffeemaschine. Mal sehen, ob ich bei seinem nächsten Fall immer noch den Ohrwurm „Macho Man“ von „The Village People“ im Ohr habe …
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