Vorab Hinweis: Zwar wurde uns ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung
Der Blutegel
Ausgehend vom Titel und der Überschrift des Klappentextes hatte ich (relativ zeitnah) einen Mord erwartet. Doch alles beginnt damit, dass das Ehepaar Sam(antha) und Kel aus Afrika, wo sie als Pflegekräfte für „Ärzte ohne Grenzen“ gearbeitet haben, in die englische Kleinstadt Lockwood zieht. Isabel, Sams neue Kollegin, freundet sich sofort mit ihr an und führt sie in die Laien-Theatergruppe „The Fairway Players ein“. Diese wird von dem respektablen Ehepaar Martin und Helen Hayward geleitet. Kurz darauf erkrankt die zweijährige Enkelin der Haywards einem schweren und seltenen Hirntumor. Nach Aussage der Ärztin kann ihr nur ein neues, noch nicht zugelassenes Medikament aus den USA helfen, das 250.000 £ kostet. Sie starten einen Spendenaufruf mit einer Crowdfunding-Website und nehmen wirklich eine Menge Geld ein. Aber Sam, die Neue, hat schnell das Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt. Die Ärztin ist ihr suspekt, von dem Medikament hat noch keiner der ihr bekannten Ärzte gehört und irgendwie wird immer mehr Geld gebraucht. Auch Isabel wird ihr immer unangenehmer, klammert, drängt sich zwischen Sam und deren Freunde und in ihre Ehe – sie ist wie ein Blutegel, der ihr alle Zeit und Energie aussaugt, aber natürlich meint sie es nur gut. Doch ein Mord passiert nicht.
Auch die Erzählweise der Geschichte war anders als erwartet. Sie wird die ersten 380 Seiten nur über die E-Mails und SMS erzählt, die zwischen den Mitgliedern der Theatergruppe und anderen Beteiligten im Rahmen der Spendensammlung hin und her gehen. Dabei erfährt man oft nur eine Seite der Konversation, weil u.a. die Antworten von Sam und ihrem Mann Kel komplett fehlen. Erst dann geschieht der Mord und auf den folgenden 140 Seiten werten zwei Rechtsanwaltsgehilfin (wieder per SMS und Mails) die vorliegenden Daten aus und versuchen herauszufinden, was es mit der Spendensammlung auf sich hat, wie es zu dem Mord kommen konnte und wer ein Motiv hat. Dabei spielen sie verschiedene Varianten durch. Das war für mich nicht leicht zu lesen und zum Teil verwirrend, weil zu viele Personen vorkommen, von denen man oft nicht weiß, wer sie eigentlich sind und wie sie untereinander in Beziehung stehen.
Sehr spannend fand ich die „Freundschaft“ zwischen Sam und Isabel, die so harmlos beginnt und bei der man bald das Gefühl hat, dass sie nur in Isabels Fantasie besteht. Sie versucht sogar, Sam durch Erpressung und ein schlechtes Gewissen an sich zu binden.
Auch Sams Misstrauen bezüglich der Spendensammlung habe ich geteilt. Der Aufruf verselbständigt sich und scheint allen über den Kopf zu wachsen. Schnell wird ein Komitee gegründete, das die mehr oder weniger sinnvollen Aktionen und das eingenommene Geld verwalten soll, aber niemand hat wirklich einen Überblick. Das Highlight ist eine Gala mit Prominenten Schirmherren, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gewonnen werde. Das alles entwickelt eine Dynamik, der sich die Beteiligten nur schwer wieder entziehen können. Man macht im Eifer des Gefechts natürlich auch Fehler und tätigt Fehlinvestitionen, fällt auf Betrüger rein.
Mein Fazit: Ungewöhnliche Erzählweise und verwirrend viele Personen - für mich ist das Buch kein Krimi im eigentlichen Sinn, eher eine Charakterstudie, die sich auch mit Gruppendynamik befasst.
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