Vorab Hinweis: Zwar wurde uns ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung
Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau
1883 wird die Brooklyn Bridge nach 13 Jahren Bauzeit endlich eröffnet, doch ohne Emily, die Frau des Chefingenieurs Washington Augustus Roebling, wäre sie vielleicht nicht so schnell fertig geworden. Die Brücke war eines der ambitioniertesten Bauwerke ihrer Zeit, eine Kombination von Hänge- und Schrägseilbrücke, die nicht nur unter den einfachen Arbeitern, sondern auch auf höchster Ebene Opfer forderte. Eigentlich wollte Wash(ington)s Vater Johann die Brücke bauen, doch er starb schon früh nach einem Unfall auf der Baustelle. Sein Sohn Wash übernahm, baute selbst am ersten Fundament mit und erkrankte wie so viele an der Taucherkrankheit, die ihn jahrelang ans Bett fesselte. Emily spielte seine Botin bzw. Sekretärin, dabei war sie ihm längst ebenbürtig und eine vollwertige Vertretung – und die anderen Männer der Bridge Companie wussten das auch.
Petra Hucke erzählt in „Die Architektin von New York“ die Geschichte der Erbauung der Brooklyn Bridge und ihrer Erbauer.
Washs Vater stammte aus Deutschland und suchte in Amerika neue Herausforderungen, war ein echter Visionär. Er gründete eine deutsche Kolonie und war immer für andere da. Seine eigene Familie hingegen litt zeitlebens unter ihm. Emilys Familie lässt sich bis zu Wilhelm dem Eroberer zurückverfolgen und kam auf der Mayflower nach Amerika, hat als eine der 12 Familien den Mayflower-Vertrag unterzeichnet. Obwohl die beiden so verschiedene familiäre Hintergründe hatten, war es eine Liebesheirat und Washs Arbeit hat sie zumindest zu Beginn noch mehr zusammengeschweißt. Emilys Bruder, der ebenfalls Ingenieur war, hatte sie schon früh an diese Tätigkeit herangeführt und sie arbeitete gern – für eine Frau ihres Standes zu ihrer Zeit ein Unding, was ihr auch Verwandte und Freundinnen immer wieder vorwarfen. Aber sie hatte einen scharfen, logischen Verstand und großes technisches bzw. mathematisches Wissen und nutzte es gern. Emily konnte sehr gut rechnen, entdeckte Fehler oft noch vor Wash und steuerte eigene Ideen und Lösungsvorschläge bei. Doch sie muss auch immer wieder zurückstecken, wurde von den wenigsten Männern wirklich respektiert und angenommen. „… Sie wären ein erstklassiger Ingenieur. Wenn sie doch nur ein Mann wären …“ (S. 327)
Emily scheint eine kluge, zielstrebige, interessierte und moderne Frau gewesen zu sein, die sich weder durch fiese Spitzen anderer Frauen noch Stolpersteinen von Männern von ihrem Tun abbringen ließ. Sie ist in dem Bau der Brücke aufgegangen, hat sich selber verwirklichen können.
Der lockere und unterhaltsame Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin hat sehr gut recherchiert und vermittelt viel Wissen und Historie. Ich bin immer noch fasziniert, mit wie wenigen technischen Hilfsmitteln die Brücke gebaut wurde, wenn man von unserer heutigen Technologie ausgeht. Doch mit dem Fortschreiten der Handlung verliert sich die Geschichte etwas in technischen und historischen Details und Emily und Wash mussten dahinter zurückstecken, spielten zum Teil nur noch eine Nebenrolle. Alles drehte sich um die Schwierigkeiten und Probleme beim Bau. Ich hätte nicht über jeden Skandal oder Bestechung lesen müssen oder wer gerade gegen wen wie intrigiert, sondern lieber mehr über Wash und Emilys tägliches Leben nach seiner Erkrankung und ihr Umgang damit.
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