Montag, 7. November 2022

Die Sehnsucht nach Licht


 

ISBN : 9783365001172
Gebundenes Buch : 416 Seiten
Verlag : HarperCollins Hardcover
Erscheinungsdatum : 25.10.2022
Genre : Roman
 

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Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.

Neuer Tag bringt neue Hoffnung

 

… ist einer der Leitsprüche der Familie Steiner, die seit Generationen in Schlema im Erzgebirge im Bergbau arbeitet. Sie haben viele Schicksalsschläge einstecken müssen, aber irgendwie ist es immer weitergegangen. Auch Luisa, die jüngste Generation und Vermessungstechnikerin bei der Wismut, arbeitet ehrenamtlich im Besucherbergwerk unter Tage.

 

„Ein Bergmann weint nicht“ hat ihr Urgroßvater Wilhelm von Kind an gelernt, und er hat auch fast nie geweint. Doch das Verschwinden seines Sohns Rudolf geht ihm und auch 2019 noch nahe. Rudolf ist 1951 während seiner Schicht spurlos verschwunden, und obwohl sie jahrelang alles versucht haben, konnten sie sein Schicksal nie aufklären, 1990 wurde er für tot erklärt. Aber sie sind überzeugt, dass noch irgendwo Aufzeichnungen darüber existieren, schließlich war das damals alles Sperrbezirk und wirklich alles wurde protokolliert. Darum soll sich Luisa jetzt noch einmal auf die Suche machen. „Aber du gibst nicht auf, nicht wahr? Du findest endlich heraus, was passiert ist.“ (S. 147)

 

Anhand von Familie Steiner erzählt Katie Naumann, wie sich Schlema und der Bergbau seit Beginn des 20. Jahrhunderts verändert haben. Zuerst wurde Kobalt abgebaut, dann wurde radiumhaltiges Wasser entdeckt und das Kurbad gegründet, bis erst die Nationalsozialisten und dann „die Russen“ das Uran für sich requirierten. Das alles wurde auf dem Rücken der Arbeiter und ihrer Familien ausgetragen. Sie förderten das Uran oft ohne besondere Hilfsmittel und Schutzmaßnahmen, selbst die Kinder sortierten schon strahlende Schlackebrocken. Es kam immer wieder zu teils dramatischen Unfällen – ein Menschenleben schien nicht viel wert zu sein. Besonders erschreckend fand ich auch die Beschreibung, wie an Frauen und Kindern für eine Portion Milch während des 2. WKs kostenlose „Heilbehandlungen“ mit Radon ausprobiert wurden …

 

Die Bergleute sind raue Menschen, von ihrer Arbeit unter Tage und der Umgebung geformt. Zu DDR-Zeiten haben auch Frauen wegen des überdurchschnittlichen Lohns jahrzehntelang im Berg geschuftet, die Kinder wurden vom Staat versorgt und erzogen. Aber die Familie hält immer zusammen und man sagt sich jeden Morgen „Auf Wiedersehen“, damit abends alle gesund und munter heimkehren. „Ich habe gehört, dass manchmal Leute im Berg verschwinden, ist da was dran?“ „Auch aus meiner Familie sind schon Männer im Berg geblieben.“ (S. 12)

 

Mir gefällt, wie regionale Bräuche, politische Ereignisse und die verschiedenen Staatsformen in die Handlung einfließen. Außerdem wird sehr anschaulich beschrieben, wie sich das Aussehen des Ortes im Laufe der Zeit immer wieder verändert und was es für die Bewohner bedeutet, wenn Häuser und Straßen plötzlich mehrere Meter absacken, weil der Boden vom jahrhundertelangen Abbau zerlöchert ist wie ein Schweizer Käse.

 

„Die Sehnsucht nach Licht“ von Kati Naumann ist eine extrem dramatische und erschütternde Familiengeschichte, die mich sicher so schnell nicht loslässt. Ich war selber schon oft im Kurbad Schlema und habe auch Radonbäder bekommen, aber die Geschichte des Ortes war mir nicht bekannt und ich glaube nicht, dass ich das Bad je wieder sorglos nutzen kann.

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