Donnerstag, 19. Januar 2023

Die Bücher, der Junge und die Nacht

Buchdetails: 

Erscheinungsdatum: 02.11.2022

Herausgeber: Knaur

Buchlänge: 497 Seiten 

ISBN: 9783426227848

Genre: Roman/Historischer Roman 

#Werbung






Die Welt der Bücher ist mein persönliches Paralleluniversum, in welches ich mich gern zurückziehe. 

Wenn ein Roman als „Eine Liebeserklärung an die Welt der Bücher“ beworben wird, entfacht das meine Leselust.

Mein erstes Buch von Kai Meyer, den der Spiegel als großes deutsches Erzähltalent bezeichnet.

Der Titel „Die Bücher, der Junge und die Nacht“ ist für mich zwar nicht der Hit, aber schließlich kommt es auf den Inhalt an. 

Wir schreiben das Jahr 1943. Mit diesen Worten beginnt die Geschichte. 

„Bomben fielen vom Nachthimmel, als der Junge sein Gefängnis verließ, den Raum ohne Fenster, den Raum voller Bücher. Er war zehn Jahre alt und ebenso lange eingesperrt gewesen. An den Wänden seines Zimmers reichten die Regale bis zur Decke, die Bücher standen Rücken an Rücken, viele in dichten Doppelreihen.“ (Auszug aus dem Roman) 

Zack, der Autor hat mich eingefangen und zieht mich magisch in seine Story. 

Schauplatz des Geschehens ist das Graphische Viertel in Leipzig, das in dieser Nacht zu mehr als 70% zerstört wird.  Von dem Teil der Stadt höre ich zum ersten Mal. Viele Unternehmen der Buchindustrie waren hier beheimatet. Leider existiert das Graphische Viertel seit der Zerstörung nicht mehr. Ich fühle mich zu einer weiteren Recherche animiert. 

Zunächst gilt es herauszufinden, wer der Junge ist und warum hat man ihn eingesperrt? 

Die Spur führt nach Leipzig ins Jahr 1933, als das Böse die Macht ergreift. Buchbinder Jakob Steinfeld begegnet einer rätselhaften jungen Frau. Sie hat ein Buch geschrieben und möchte es nur von ihm binden lassen. Jakob schickt sie zunächst weg, fühlt sich dann aber magisch zu Juli hingezogen. Die beiden beginnen eine Liebesbeziehung. Von einen Tag auf den anderen verschwindet Juli spurlos. Was ist mit ihr geschehen? 

In einem anderen Handlungsstrang, der fast vierzig Jahre später spielt, lerne ich Jakobs Sohn Robert kennen, der die gleiche Leidenschaft für Bücher empfindet, wie einst sein Vater. Roberts Freundin Marie bittet ihn, sie bei einem Auftrag der Verlegerfamilie Pallandt zu unterstützen. Dabei entdecken die beiden Bücher, die von Roberts Vater gebunden wurden. Was hat es mit diesem mysteriösen Buch auf sich, das offenbar eng mit Roberts Familiengeschichte verbunden ist? Existiert es überhaupt? 

Eine mystisch-düstere Stimmung zieht sich durch den Roman, für die vor allem der geheimnisvollen Sekretär „Flügelschlag“ verantwortlich ist. Er ist nicht greifbar, aber man möchte ihm auf die Schliche kommen. Das treibt die Geschichte voran. 

Kai Meyer schreibt locker-leicht und schafft es trotz aller Dramatik, dem Leser hie und da ein Schmunzeln abzuringen. 

Er beherrscht die Kunst des Schreibens. Seine bildreichen Beschreibungen lassen mich gedanklich in vergangene Zeiten reisen. Ich bin dabei, als 1933 die Nazis an die Macht kommen und die reiche Familie Pallandt auf die Überholspur wechselt. Ich sehe 1943 Leipzig in Trümmern liegen und bin schließlich auch 1971 in Leipzig, als die Sozialistische Einheitspartei der DDR das Sagen hat. 

Alle Charaktere sind glaubhaft inszeniert. Ich fühle und leide mit ihnen.

Dieser Roman ist nicht nur eine Ode an die Stadt Leipzig. Vor allem ist es eine Hommage an das Buch. Eindrucksvoll erzählt der Autor von der Kunst des Buchbindens, von der Faszination des Lesens und der Macht der Bücher. Das gefällt mir. Mein Herz öffnet sich. Die Leidenschaft des Autors für das geschriebene Wort spürt man zwischen den Zeilen. 

Bei aller Begeisterung sollte erwähnt werden, dass die Geschichte meiner Meinung nach nicht einfach zu lesen ist. Gelegentlich gilt es ein paar Längen zu überbrücken. Der hohe Informationsgehalt muss verarbeitet werden. 

Ein Roman, der den anspruchsvollen Leser sucht. 

Wer die Herausforderung annimmt, bekommt eine Leseerlebnis der Extraklasse mit einem Hauch von Magie. 

Keine Kommentare: