Coming of Age meets History meets Fantasy
„Wir können unseren Rollen nicht entfliehen … Wir können sie nur mit einer gewissen Eleganz spielen.“ (S. 436)
London 1601: Shay ist Aviscultarierin, ein Vogelmädchen, das vor den Toren Londons im Birdland (Marschland) lebt, von ihrem Vater als Falknerin ausgebildet und von ihrer Mutter im Voraussagen der Zukunft aus Karten und Vogelschwärmen unterwiesen wurde. Sie verdient ihr Geld mit Botengängen, die sie über den Dächern der Stadt macht, weil die nicht so voll und verdreckt sind wie die Straßen, und sie dem Himmel und damit den Vögeln näher ist. Außerdem befreit sie Vögel aus Käfigen, wo immer es geht. Als sie deswegen wieder einmal fliehen muss, hilft ihr ein fremder Junge – Nonesuch, der Star des Blackfriars-Theaters. Er zeigt ihr eine völlig neue Welt, in der alles besser zu sein scheint. Die Schauspieler, alles Jungen, tragen schöne Kleider und haben genug zu essen, aber es geht das Gerücht, dass der Besitzer des Theaters sie direkt von der Straße oder sogar aus ihren Elternhäusern raubt. Und müssen sie nach den regulären Vorstellungen noch private für besondere Gäste geben, bei denen sie nicht viel anhaben und die Stücke eher frivol als klassisch sind.
Shay und Nonesuch verlieben sich ineinander. Wenn er nicht auf der Bühne stehen oder sie Botengänge erledigen muss, streifen sie durch die Stadt, wobei er sich einiges ausdenkt, um Geld zu verdienen. Doch sein eigentlicher Plan ist ein eigenes, ein Geistertheater ohne festen Standort, in dem sie keine Stücke zeigen, sondern echte Szenen aus ihrem Leben nachspielen. Bei der ersten Vorstellung des Ghost Theaters überrascht Shay sich selbst und die anderen, als aus ihrem Vogelgesang eine Prophezeiung wird. Ihr Ruf verbreitet sich schnell und bald weissagt sie Königin Elizabeth – und löst damit einen Glaubenskrieg aus …
Mat Osmans schreibt über Außenseiter. Die jungen Schauspieler werden von ihren Fans bewundert und hofiert, aber niemand schaut hinter die Kulissen. Man munkelt zwar über das, was auf den Privatpartys passiert, aber niemand greift ein. Und wenn sich die Jungen weigern, droht der Abstieg vom Theater in die billigen Etablissements. Nonesuch hat eine Sonderstellung, weil er angeblich aus einer reichen, einflussreichen Familie stammt und ein wirklich guter Schauspieler ist, aber die Privatvorstellungen bleiben auch ihm nicht erspart.
Um die Aviscultarier, Shay Lebens- und Glaubensgemeinschaft, ranken sich viele Mythen. Sie leben auf einer Insel und lassen keine Fremden in ihre Gemeinschaft. Angeblich können sie mit den Vögeln kommunizieren und fliegen …
Ich tue mich schwer damit, dieses Buch einzuordnen, denn ein rein historischer Roman ist es nicht, dazu enthält es zu viele Fantasy-Elemente, wird im Laufe der Handlung immer gesellschaftskritischer und auch die Coming of Age-Geschichte der Protagonisten nimmt sehr viel Raum ein. Außerdem spielt er zwar im Mittelalter, fühlt sich aber oft dystopisch an.
Und ich hatte Probleme mit der Erzählweise, da es keinen durchgehenden Handlungsstrang gibt, sondern man wie im Theater in verschiedene Szenen geworfen wird, bei denen die Protagonisten auf- und wieder ab treten.
Der Schreibstil ist sehr poetisch und weitschweifig und passt damit zur Theater-Thematik, ich hätte mir allerdings manchmal etwas mehr Tempo und Inhalt gewünscht. Zudem fiel es mir schwer einzuschätzen, wie alt die einzelnen Personen sind und wieviel Zeit jeweils vergeht.
Mein Fazit: Auch wenn das Buch meinen Lesegeschmack nicht ganz getroffen hat, bin ich doch sicher, dass er andere Leser verzaubern wird.
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