„Um an der Seite diese übermächtigen Genies bestehen zu können, brauchte sie etwas Eigenes, und das konnte nur die Kunst sein.“ (S. 9)
Mexiko 1938: Frida ist seit 10 Jahren mit Diego Rivera verheiratet und unzufrieden, da er ihr immer mehr entgleitet, Affären hat und nur für seine Kunst lebt. Sie kommt sich oft eher wie seine Köchin, als eine gleichberechtigte Partnerin und Künstlerin vor. Dabei ist auch sie inzwischen als solche anerkannt. Der französische Surrealist André Breton will sie in Paris ausstellen, weil er sie für die erste (und einzige) mexikanische Surrealistin hält. Doch zuvor organisiert der Galerist Julien Levy eine Einzelausstellung in New York. Dass Diego sie nicht nach Amerika begleitet, ist ein weiterer Dolchstich und macht ihr klar, dass sie ihre Beziehung und die jeweilige Rolle, die sie und Diego darin spielen, dringend überdenken muss.
„Ich bin eine Revolution … Ich bin eine Malerin, die Erfolg hat, und ich bin eine Frau, die geliebt wird. Ich bin glücklich.“ (S. 145) In New York lebt Frida dann trotz ihrer ständigen Schmerzen und körperlichen Einschränkungen auf. Ihre Ausstellung ist ein voller Erfolg. Sie bekommt Aufträge für neue Bilder und hat endlich Zeit und Platz zum Malen. Außerdem genießt sie das Nachtleben, die Bewunderung der Männer, die sie als Frau wahrnehmen, und beginnt eine Affäre mit dem Fotografen Nicolas Muray, den sie schon von früher kennt. Sie hat sich endlich von Diego freigeschwommen und ist auch finanziell von ihm unabhängig. Aber sie würde sich nie von ihm trennen oder scheiden lassen, denn er hat sie zu dem gemacht, was sie jetzt ist, hat sie unterstützt und angeleitet und ist trotz allem die Liebe ihres Lebens. Kann sie beide Männer haben? Diego als künstlerischen Partner und Nick als Liebhaber? Oder muss sie sich entscheiden?
„Ich male, wer ich bin. Ich male mein Leben, auch meine Schmerzen, denn die sind mein Leben.“ (S. 327) Wie schon in „Frida Kahlo und die Farben des Lebens“ lässt Caroline Bernard ihre LeserInnen wieder unmittelbar an Fridas Leben teilhaben. Man erlebt alles hautnah mit und sieht es mit ihren Augen: die Demütigungen, wenn Diego die Nacht anderen Frauen verbringt, ihren Schaffensprozess, die Momente, wenn sie die Inspiration zu einem neuen Bild sucht und findet, ihre Erfolge als Künstlerin, das Glück in den Armen ihrer Liebhaber, aber auch die Schmerzen und Einschränkungen, die ihr Köper ihr auferlegt.
Ich habe das Gefühl, ihr noch näher gekommen zu sein und noch besser verstehen zu können, dass sie nicht nur ihre Bilder durch ungewöhnliche Rahmen, sondern auch sich selbst in Szene setzt: durch ihre traditionelle mexikanische Kleidung, den ausgefallenen Schmuck und ihre Haare, die sie oft mit Blumen geschmückt als Krone trägt. Sie will um jeden Preis auffallen und gesehen werden und sieht sich als Gesamtkunstwerk. Und sie will ihr Leben auskosten, so lange es geht, denn sie ist sich ihrer fragilen Gesundheit und Sterblichkeit stets bewusst: „… ihr seid gesund, euer Leben ist lang, und ihr habt Zeit. Bei mir ist das anders. Ich muss doppelt so schnell leben wie ihr.“ (S. 142)
Caroline Bernard schreibt extrem fesselnd und sehr bildlich. Nach New York reist Frida tatsächlich noch nach Paris, wo alles anders wird als erwartet oder geplant. Zwar taucht sie auch dort tief in die Kunstszene und das Nachtleben ein und lernt u.a. Josephin Baker, Elsa Schiaparelli, Miró, Kandinsky und Picasso kennen, aber auch spanische Flüchtlinge. Man spürt bereits, dass der zweite WK kurz bevorsteht, die Welt ein Pulverfass ist.
Frida hat mich beeindruckt, sie arbeitet über ihre körperliche und Schmerzgrenze hinaus, bis zum nächsten Rückfall oder Zusammenbruch. Und sie „erträgt“ Diego, den großen schweren Mann, der mit der kleinen starken Frau an seiner Seite immer weniger zurechtzukommen scheint. Die Welt und Frida sollen sich gefälligst um ihn drehen. Sie darf zwar auch Künstlerin sein (ihre Bilder sind ja zum Glück viel kleiner als seine), aber dauerhafte Liebhaber gesteht ihr der notorische Fremdgänger nicht zu.
„Ich bin Frida“ hat mich wieder auf eine emotionale Reise mitgenommen, zeigt Frida Kahlos Emanzipation von ihrem Mann und wie sie zu der Künstlerin wurde, als die man sie heute kennt.
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