Kann aus der gemeinsamen Liebe zu Büchern eine Liebe fürs Leben werden?
„Schon immer war ich gut darin gewesen, die Schmutzarbeit zu erledigen, die sonst niemand übernehmen wollte.“ (S. 10) Dieser Satz beschreibt Chloes Leben perfekt. Nachdem ihre Mutter abgehauen war und ihre drei jüngeren Geschwister zurückgelassen hatte, musste Chloe ihr Studium abbrechen und die Vormundschaft für sie übernehmen. Sie arbeitet als Mädchen für alles in der Colville Public Library und räumt das seit Jahrzehnten vollgestopfte Archiv leer. Dabei findet sie eine alte, zerfledderte Ausgabe vom „Wendekreis des Krebses“ aus den 1960ern als Imprint aus Mexiko, da das Buch damals in Amerika verboten war. Ihr ist sofort klar, dass das Exemplar trotz seines Zustandes auf eBay um die 1.000 $ wert ist, die sie dringend braucht. Doch dann entdecken sie, dass zwei Personen abwechselnd in das Buch geschrieben haben. Außerdem findet sie Hinweise und spürt weitere Bücher auf, in denen sich das Paar verewigt hat. Ihre Neugier ist geweckt, wer waren sie und was ist aus ihnen geworden? Und warum bietet ihr Jasper, ihr alter unfreundlicher Nachbar, so viel Geld für den „Wendekreis“?
„Die Bibliothek der geborgten Herzen“ ist ein wirklich tolles, tiefgründiges Buch, das mich sehr überrascht hat. Chloe ist mit Mitte 20 für ihre pubertären Geschwister verantwortlich, die alle drei etwas Besonderes und sehr intelligent, aber eben auch fast noch Kinder sind und sich streiten können wie die Kesselflicker. Chloe versucht, ihren Charakteristika gerecht zu werden, weiß aber nie, wie sie sie ordentlich ernähren und alle anfallenden Rechnungen bezahlen soll. Ihre beste Freundin Pepper und deren Familie würden ja gern helfen, aber Chloe will (oder kann) diese Hilfe nicht annehmen.
In einem parallelen Handlungsstrang erfährt man, wer sich da 1960 schreibt, wie sie sich kennenlernen und sich die Beziehung entwickelt. Catherine ist neu in der Stadt, ihr Vater wird von einer Militärbasis zur nächsten versetzt. Darum hat sie nie genug Zeit, Freunde zu finden, flüchtet sich in Bücher (und Bibliotheken). „Städte kamen und gingen, ebenso die Menschen in ihrem Leben, aber zwischen zwei Buchdeckeln fand sich immer ein Freund.“ (S. 55) Sie würde gern ein genauso selbstbestimmtes Leben führen wie ihr Vater, weiß aber, dass es für sie nur den Weg ihrer Mutter gibt und erwartet wird, dass sie einen Militärangehörigen heiratet. Der Flirt in den Bücher ist ihre Ausflucht aus diesem vorgezeichneten Gefängnis.
Ich bin nur so durch das Buch geflogen und fand es spannend, wie die Geschichte der als Liebesbrief benutzten Romane von 2 Seiten aufgerollt wird. Lucy Gilmore schreibt einfach toll. Ich mag, wie sich ihre Figuren weiterentwickeln, Beziehungen sich verändern. Am meisten hat mich Jasper beeindruckt. Der Griesgram vom Anfang hat nichts mit dem netten Nachbarn zu tun, der er am Ende ist (und eigentlich auch früher schon war, aber versteckt hat). Zudem mag ich die Querverbindungen in der Geschichte, fand es witzig, dass Catherines Freundin damals die Großmutter von Pepper ist, und die vielen überraschende Wendungen, die man wirklich nicht erahnen konnte
Chloes und Peppers Spurensuche ist gleichzeitig ein kleiner Einblick in die Weltliteratur. Da alle Protagonisten sehr belesen sind, werden viele Bücher erwähnt, die man nicht gelesen haben muss, um die Handlung zu verstehen, danach aber sicher noch lesen will.
5 Sterne und meine Leseempfehlung für dieses charmante Herzensbuch.
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