Montag, 14. Juli 2025

Hasi und Patno gestrandet auf Shearwater Island

Mike Altwicker scheint uns gern Bücher zu empfehlen, die uns an unsere Grenzen bringen. "Die Rettung" von Charlotte McConaghy fängt schon extrem dramatisch an. Eine Frau wird in einer stürmischen Nacht schwer verletzt vor einer Insel angespült und von einem jungen Mädchen gerettet, die hier allein mit ihrem Vater und ihren beiden Brüdern wohnt. Sie sind die letzten Überbliebenen einer Forschungsstation, völlig abgeschnitten von der Zivilisation, seit ihr Funkgerät zerstört wurde und jetzt dank dem Sturm auch noch ohne Strom, weil die Windräder und Solaranlagen bei dem Unwetter kaputt gegangen sind. 

Hasi: Ich habe mich bei der Ausgangssituation ganz schön gegruselt. Wie ging es Dir damit, Patno? 

Patno: Gute Bücher sind doch die, die etwas in uns bewegen, uns zum Nachdenken anregen und uns auch manchmal an Grenzen bringen. Mike hat ein Gespür für solche Geschichten. Mich hat die Atmosphäre des Buches sofort eingefangen. Ich habe die tosende See vor meinem inneren Auge gesehen und die Bedrohung der Insel, die dem Untergang geweiht ist. Gegruselt habe ich mich nicht, aber die mythische Stimmung und die unterschwellige Spannung, haben schnell durch die Story getrieben. Ich bewundere Dominic für seinen Mut, drei Kinder über viele Jahre auf dieser einsamen Insel großzuziehen. Aber es ist doch erstaunlich, wie die drei Kinder die Situation angenommen haben und sich in Einsamkeit zurechtfinden. Beeindruckend. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und dabei die Schönheit, aber auch die Rauheit der Natur zu entdecken und zu nutzen,  haben wir doch in unserer Wohlstandsgesellschaft sträflich vernachlässigt. Mein Lieblingscharakter ist übrigens Orly. Was er über Pflanzen gelernt hat, ist doch phänomenal, oder ? 

Hasi: Ja, wenn ich überlege, dass Orly erst 9 Jahre alt ist und wahrscheinlich mehr über Pflanzen weiß, als alle Wissenschaftler, die je auf der Insel waren, bin ich auch beeindruckt. Aber seine Geschwister haben ebenfalls das Beste aus ihrer Situation gemacht und sich auf etwas spezialisiert bzw. fokussiert. 
Fen schwimmt mit den Robben, hat gelernt, ihre Atem- und Herzfrequenz zu reduzieren und ihren Sauerstoffverbrauch zu minimieren. Dadruch ist sie ihnen so vertraut, dass sie sogar bei schwerigen Geburten eingreifen darf. 
Und Raff nimmt mit einem Hydrophon (Unterwassermikrofon) Walgesänge auf, die er später auf der Geige begleitet. Da komme ich mir schon recht unbegabt vor 🤔.
Um noch mal auf die Insel und die Gestrandete, Rowan, zurückzukommen. Sie gibt sich ja auch sehr geheimnisvoll und schleppt sich schwer verletzt allein zur ehmaligen Forschungsbasis, um jemanden zu suchen bzw. Hinweise zu ihm. Und bald kommt raus, dass sie im doppelten Wortsinn gestrandet ist - hier auf der Insel und im Leben überhaupt. Hättest Du ihr auf der Insel vertraut?

Patno: Ich denke schon, dass ich Rowan vertraut hätte. Sie wirkt auf mich ehrlich. Mit Dominic bin ich nicht so schnell warm geworden. Mir war schnell klar, dass er nicht ganz die Wahrheit sagt. Das Buch ist voller kluger Sätze, über die ich beim Lesen nachdenken musste. Fen sagt z.B. an einer Stelle: „Sie…spürt, wie egal der Natur Dinge wie Fairness und Würde sind. Sie spürt, dass die Welt kein Mitleid mit Tieren hat. sie sieht ja, wie sie einander zerfleischen, sich gegenseitig auffressen. Irgendwie hat sie immer geglaubt, für Menschen gelte das nicht. Jetzt weiß sie, dass es ein Irrtum war.” Wie hat dir der Schreibstil gefallen? 

Hasi: Ich habe Dominic weniger als Lügner gesehen, sondern als jemand, der seine Familie um jeden Preis schützen will - vor allem Fen. Es ist Schlimmes passiert. Da ist es verständlich, wie sich alle wegen ihr verhalten. Den Schreibstil fand ich sehr gut, mitreißend, philosophisch, voller poetischer Beschreibungen und kleiner Wahrheiten über uns und unseren Umgang mit der Natur. Er hat mich auch über einige Ungereimtheiten hinwegsehen lassen. 

Patno: Warum sich Dominic so verhält, ist schon klar. Er lebt seit Jahren mit den Kindern in dieser Einsamkeit. Das prägt. Ich muss gestehen, dass ich mit der zweiten Hälfte des Buches etwas gehadert habe. Die Story schien mir überbordend und nicht ganz glaubwürdig. Die Autorin hat alles an Drama hineingepackt, was möglich ist. Für meinen Geschmack ein bisschen zu viel des Guten. Und doch war da zwischen den Zeilen diese mystische Spannung, die mich durch die Seiten getrieben hat. 

Hasi: Das ging mir ähnlich, für mich so sind auch einige Dinge nicht schlüssig geklärt worden. Trotzdem hat der Sog bis zum Ende angehalten.

Patno: Das stimmt. Über eines sind wir uns beide sicher einig, ein längerer Aufenthalt auf Shearwater Island wäre nichts für uns beide, nicht mal mit einer gut gefüllten Bibliothek. 


Fazit: „Die Rettung“ ist ein spannend erzählter, bildstarker und lesenswerter Roman über die Schönheit, aber auch die Gewalt der Natur, der nachdenklich stimmt. Lasst euch auf diese verlassende Insel zwischen Australien und der Antarktis entführen! 

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