Mittwoch, 6. August 2025

Hasi und Patno im Nordwind - Buddyread

Folgt uns gedanklich nach Hamburg ins Jahr 1913. 

In einem Arbeiterviertel auf der Uhlenhorst wohnt Alice mit ihrem Ehemann Henk und ihrer kleinen Tochter Rosa. Henk geht mehrmals in der Woche auf Sauftour und erhebt anschließend die Hand gegen seine Frau. Als er immer gewalttätiger wird und Alice um ihr Leben und das ihrer Tochter fürchten muss, versucht sie, ihre Ehe zu beenden. Jetzt kommt Rechtsanwalt John Reeven ins Geschehen. Er entstammt einer reichen hanseatischen Familie und lebt in einer schicken Villa. John soll Alice vor Gericht vertreten. Und ihr werdet es schon ahnen, zwischen den beiden beginnt es heftig zu knistern …

Patno: Glücklichweise bin ich Urlaub und habe viel Zeit zum Lesen. Die Geschichte von Alice und John hat mich von Anfang an gepackt und ich habe die fast 600 Seiten in Rekordzeit durchgeschmökert. Jetzt verstehe ich, warum dieser Roman auf der Shortlist für den Homer-Literaturpreis gelandet ist. Die Autorin schreibt lebendig, mitreißend und bildstark. Wie bist du in die Geschichte hineingekommen? 

Hasi: Ich bin zwar (noch) nicht im Urlaub, aber für das Buch habe ich den Haushalt gern mal liegen lassen. Miriam Georg schreibt wirklich anschaulich und fesselnd. Alice hat mich sofort fasziniert. Sie ist für ihre Zeit damals sehr fortschrittlich und sieht irgendwann nicht mehr ein, dass ihr Mann sie im wahrsten Sinne des Wortes in seiner Gewalt hat. Sie weiß aber auch, dass es schwierig wird, die Vormundschaft für ihre Tochter zu bekommen. Also muss sie doppelt mutig sein und harrt so lange vor Johns Büro aus, bis er sich ihres Falles annimmt. 
Außerdem bekommt man Stück für Stück Einblicke in Alice' Vergangenheit, die ja auch nicht leicht gewesen ist. Das macht die Autorin sehr geschickt, finde ich, man erfährt immer nur so viel, dass man "angefüttert" wird, auch ja dranzubleiben ...

Patno: Ja, diese „Häppchentechnik“ treibt die Spannung nach oben. Das Setting des Romans mag ich sehr. Es gelingt mir, mich in die damalige Zeit hineinzuversetzen. Nebenbei füttert Miriam Georg ihre Geschichte mit interessanten historischen Fakten. Das mag ich. Allerdings ist John Reeven nur eine fiktive Figur. Trotzdem hat mich der Roman inspiriert, die Geschichte der Holstenbrauerei zu recherchieren. Mein Star der Geschichte ist die kleine Rosa. Sie ist so kess und lieb, wenn man bedenkt, was das Kind schon miterleben muss. Und Alice mag ich natürlich genauso und bin beeindruckt, wie gut sie zeichnen kann. 

Hasi: Oh, auf die Idee, dass sie die Geschichte der Holstenbrauerei verwendet, bin ich gar nicht gekommen und habe sie auch nicht gegoogelt, das werde ich jetzt aber nachholen. 
Rosa ist wirklich bezaubernd. Aber mir tut leid, wie erwachsen sie für ihr Alter schon sein muss. Sie weiß genau, was ihr Vater ihrer Mutter antut und verhält sich dann ganz still oder versteckt sich. Außerdem darf sie nicht malen, weil es Geldverschwendung ist. Also macht sie es heimlich, wie Alice. Von ihr scheint sie aber auch das Talent dazu geerbt zu haben. Eine schöne Kindheit sieht anders aus. 
Apropos Erbe, so ganz kommt Alice leider nicht von ihren Eltern los, die auf Jahrmärkten arbeiten. Wenn ich die Andeutungen richtig verstehe, gehören die zu den Sinti und Roma und haben keinen besonders guten Stand in der Gesellschaft. Trotzdem erheben sie sich über Alice, wegen deren Vergangenheit - die sie aber zu verantworten haben. Das ist alles sehr mysteriös. Ich hoffe, dass sich das im zweiten Band aufklärt. 

Patno: Der Vergangenheitsstrang um Alice hat es in sich. Wenn man in so eine Familie hineingeboren wird, ist es wahrscheinlich auch heutzutage noch schwer auszubrechen. Von der Gesellschaft abgestempelt. Aber Alice Mutter hätte ich beim Lesen schütteln können. Sehr unsympathisch. Für sie ist ein gewalttätiger Ehemann wie Henk offenbar Normalität. Ganz schlimm. Zum Glück kennt die Liebe keine gesellschaftlichen Unterschiede. Trotzdem dürfte es für Alice und John schwierig werden, ihre Liebe auszuleben. Ich bin sehr gespannt, wie es in Band 2 weitergeht. 

Hasi: Wobei Alice' Mutter selber ja nicht in einer gewalttätigen Ehe lebt, aber der Meinung ist, Alice hätte es nicht anders verdient und solle dankbar dafür sein, dass sie überhaupt einen Mann abbekommen hat. Ich bin wirklich gespannt, was da vorgefallen ist. Deshalb und wegen dem echt fiesen Cliffhanger am Ende "müssen" wir Band zwei unbedingt bald lesen!

Fazit: „Im Nordwind“ ist ein sehr atmosphärischer und mitreißender historischen Roman, der nach unserer Meinung zu Recht zu den besten des Jahres 2024 gehört. Ob er wohl den begehrten Homer-Literaturpreis 2025 gewinnen wird? Die Spannung steigt. 

Von uns gibt es jedenfalls eine 5 Sterne-Leseempfehlung! 

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