Eine Liebe mit Verfallsdatum
|
Autor: Dorit Rabinyan
Sprecherin: Luise Helm
Format: Audio CD
Verlag: Argon Verlag;
Auflage: 1 (11. August 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3839815002
ISBN-13: 978-3839815007
Preis: 16,99 €
Sprecherin: Luise Helm
Format: Audio CD
Verlag: Argon Verlag;
Auflage: 1 (11. August 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3839815002
ISBN-13: 978-3839815007
Preis: 16,99 €
Das
Buch „Wir sehen uns am Meer“, ein Werk der israelischen Schriftstellerin Dorit
Rabinyan, ist nicht unumstritten und in Israel sogar ein Politikum. Gerade
solche umstrittenen Werke üben einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Dazu
kam die Chance, der Geschichte als Hörbuch zu lauschen, eingelesen von der
erfahrenen Sprecherin Luise Helm.
Äußerst
bemerkenswert finde ich, dass das Werk in Israel zunächst als Schullektüre
vorgesehen war, was mich bei diesem Thema sehr verwunderte. Anfang des Jahres wurde
es dann allerdings vom israelischen Erziehungsministerium wieder von der Liste
der Schullektüren heruntergenommen, da der Inhalt als bedrohlich für die
israelische Identität eingestuft wurde. Nach diesem Skandal war ich umso
gespannter auf die ungewöhnliche Liebesgeschichte um die Protagonisten Liat und
Chilmi.
Erzählt
wird die Geschichte aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Liat in
retrospektiver Betrachtung. Die jüdische Endzwanzigerin Liat lebt eigentlich im
israelischen Tel Aviv, ist nun aber für sechs Monate in New York und wohnt dort
in der Wohnung von Freunden. Liat hat eine ältere verheiratete Schwester mit
Kind, zu der sie ein enges Verhältnis pflegt. Ihre Eltern sind
wertekonservative Juden, die aus dem Iran stammen und vor Liats Geburt die
„Alija“ vollzogen.
Liat
trifft durch einen weiteren Freund eher zufällig auf den palästinensischen und
zwei Jahre jüngeren Maler Chilmi. Chilmi wuchs in Ramallah und Hebron, in den
besetzten Gebieten des Westjordanlandes, auf. Er ist eines von sieben Kindern,
die trotz der Lebensbedingungen im besetzten Gebiet offensichtlich äußerst
weltoffen und liberal sowie bildungsnah erzogen wurden.
Liat
und Chilmi werden trotz der trennenden ethnischen Wurzeln ein Liebespaar. Da
Liats Aufenthalt durch ihr Visum begrenzt ist und sie ohnehin nicht vor hat,
dauerhaft in Amerika zu bleiben, sondern die Rückkehr nach Israel für sie in
Stein gemeißelt ist, handelt es sich aber um eine Liebe mit klar definiertem Verfallsdatum.
Hierbei ist bemerkenswert, dass die Liebe zwischen einer Jüdin und einem
Palästinenser für Liat eigentlich ein No-Go ist und sie ihre Beziehung zu
Chilmi vor ihrer Verwandtschaft und den mehr oder weniger strenggläubigen Juden
in ihrem Bekanntenkreis zu verheimlichen versucht, während Chilmi völlig offen
und selbstverständlicher damit umgeht.
Ebenso
interessant und kontrovers sind die teilweise etwas naiven Diskussionen der
beiden über den Nahostkonflikt und dessen Befriedung. Auch hier zeigt sich Chilmi
eher weltoffen-liberal und kompromissbereit, während Liat recht radikal-konservative
Meinungen vertritt. Es kommt dabei unweigerlich zu Konflikten. Vor allem als
Chilmi von seinen Erfahrungen in israelischer Gefangenschaft berichtet und Liat
an ihre Zeit als Soldatin denkt.
„Ja, nicht wahr, wie bei der Hamas,
mit der Kalaschnikow und dem Koran (….) Ist das nicht das gleiche faschistische
Szenarium: Soldaten mit Gewehren und heiligen Büchern?“
Später
kommt es sogar zu einem Konflikt mit Chilmis Bruder, der zu Besuch kommt und
Liat scheinbar bewusst provoziert. Hier ist Liat spürbar empört, dass Chilmi
sie nicht unterstützt.
Während
des gesamten Hörbuches hatte ich das Gefühl, dass Liat Chilmi nicht verdient.
Sie genießt die Liebe und Zuneigung des fürsorglichen und sympathischen
Chilmis, ist aber absolut nicht kompromissbereit. Sie verleugnet und verrät
ihre Liebe zu dem Palästinenser in meinen Augen sogar. An der ein oder anderen
Stelle kann ich ihren inneren Konflikt zwar verstehen, in Summe halte ich sie
aber für opportunistisch und feige. Und so blieb mir die Liebe zwischen den
beiden ungleichen Partnern bis zum Schluss ein Rätsel. Aber so ist es
schließlich auch im wahren Leben – zwei Menschen fühlen sich zueinander
hingezogen, der eine gibt mehr, der andere gibt weniger, was aber die Liebe
ausmacht, bleibt unfassbar.
Das
für mich überraschende Ende hallt nach und macht mich nachdenklich.
Das Hörbuch als solches ist in Summe sehr gut von Luise
Helm eingelesen. Bekanntermaßen punktet sie mit ihrer Erfahrung und ihrer von
Natur aus angenehmen Stimme. An den Betonungen, der Stimmmodulation, der
Lautstärke und der Sprechgeschwindigkeit erkennt man den Vollprofi. Allerdings
irritierte mich an ein paar Stellen die Aussprache der arabischen Begriffe, die
auf mich etwas übertrieben und künstlich wirkten. Ich selber spreche zwar kein
Arabisch, empfand die Aussprache aber als unnatürlich. Ob ich damit richtig
liege, sei einmal dahin gestellt.
Fazit:
Sehr besondere aber eigentümliche Liebesgeschichte um zwei
junge Menschen, die nicht nur in Hinblick auf ihre ethnischen Wurzeln, sondern
auch aufgrund ihrer moralischen Wertevorstellungen extreme Gegenpole sind, die
sich magisch anzuziehen scheinen. Hierdurch bekommt der
Israel-Palästina-Konflikt sehr persönliche, teilweise subjektive Züge, was ich
aber sehr bereichernd finde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen