Perspektivlosigkeit - oder wie Verzweiflung zusammenschweißt
Autor: Madeleine Prahs
Genre: Belletristik, Roman
Erschienen am: 4. August 2017
ISBN: 978-3-423-28134-8
ISBN: 978-3-423-28134-8
Verlag: dtv
Format: Hardcover
Preis: 21,00 €
Vorab Hinweis:
Zwar wurde mir vom dtv Verlag ein kostenloses
Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf
meine nachfolgende Meinung und verfolgt auch keinerlei Werbezwecke!
Madeleine Prahs, die nach eigenem Bekunden aus
Karl-Marx-Stadt (wohl gemerkt nicht aus Chemnitz!) kommt, war mir bisher als
Autorin nicht bekannt. Die Tatsache, dass sie betont, aus Karl-Marx-Stadt zu
stammen, machte mich ehrlich gesagt sehr neugierig. Nachdem ich nun meine
Neugier befriedigt und ihren morbiden Humor in "Die Letzten" kennenlernen
durfte, werde ich wohl bald auch ihren Debütroman "Nachbarn" lesen!
Sehr schade finde ich, Madeleine Prahs auf der FBM verpasst zu haben.
Bereits das
Cover ist das perfekte Entrée in die Geschichte: eine altmodisch gemusterte,
sich ablösende Tapete.
In "Die Letzten" werden die drei übriggebliebenen Mieter eines Altbaus in einem Sanierungsgebiet regelrecht aus dem Haus geekelt. Aufgrund der heterogenen Charaktere, die sich gegenseitig nicht "riechen" können, gegensätzlicher also nicht sein könnten, stehen die Chancen der Immobilienhaie auch gut, ihr Ziel der Entmietung erfolgreich voranzutreiben. Doch nach und nach rücken die drei auf obskure und makabre Art zusammen.
Als
Protagonisten hätten wir die krebskranke, verwitwete und pensionierte Lehrerin Elisabeth
Buttkies, den unschuldig arbeitslos gewordenen und verlassenen Mittfünfziger Karl
Kramer sowie die „in Teilzeit“ studierende Punkerin Jersey. So unterschiedlich
die drei auch sind und so wenig sie zueinander passen mögen, haben sie doch
einiges gemeinsam: Frustration und Perspektivlosigkeit.
Besonders hervorzuheben
ist der regelmäßige Wechsel der Erzählperspektiven. Während die Sichtweisen,
Empfindungen und Erlebnisse der drei Protagonisten jeweils aus Sicht des
Personalen Erzählers beleuchtet werden, schaltet sich zwischendurch auch das Haus
selber als Ich-Erzähler ein. Und als wenn das nicht genug wäre, greift das Haus
auch mit seinen begrenzten Mitteln ins Geschehen ein – ohne, dass die drei
Mieter etwas davon merken.
Madeleine
Prahs versteht es, eine makaber morbide Stimmung aufzubauen, die mich
gleichzeitig schmunzeln und die Stirn ob der sozialen Ungerechtigkeit runzeln
ließ. Die drei Anti-Helden sind so dermaßen direkt aus dem Leben gegriffen und
wirken zugleich leicht überzeichnet, so dass ich als Leser zum einen Parallelen
zum wahren Leben ziehen konnte, auf der anderen Seite die Chance bekam, Distanz
zu wahren.
Mit großem
Geschick schlägt die Autorin den Bogen von den distanzierten Nachbarn, die nach
außen nichts gemein haben und sich eigentlich nicht leiden können, zu der
Interessengemeinschaft, die gemeinschaftlich revoltiert, ohne klischeehafte
Sentimentalität aufkommen zu lassen. Die drei nähern sich nach und nach auf
eher rustikale und schonungslose Art und Weise an.
Die Sprache,
der sich Madeleine Prahs hierbei bedient, ist ebenso außergewöhnlich wie die
Geschichte selbst. Selten habe ich so elegant verpackte Umgangssprache gespickt
mit sprachlichen Stilmitteln gelesen. Metaphern, Vergleiche, Hyperbeln,
Personifikationen werden so geschickt eingebaut, dass es mir ein wahrer
Leseschmaus war. Die zeitweise akzentuierten, stakkatoartigen Sätze geben ihr
Übriges dazu.
Fazit:
Schonungslose,
sozialkritische Lektüre um drei vom Leben geprägte Außenseiter, die mit einer
ungewöhnlichen Rhetorik aufwartet. Wer anspruchsvolle, moderne Literatur mit
einem Schuss Morbidität mag, ist hier genau richtig!
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