- Erscheinungsdatum Erstausgabe : 23.10.2017
- Verlag : Insel Verlag
- ISBN: 9783458363040
- Flexibler Einband 387 Seiten
- Genre: Roman
„Auf Paris.“
... ist einer der
letzten Sätze dieses Buch, aber ich verrate Euch natürlich nicht, wer ihn sagt.
Madeleine sollte
eigentlich glücklich oder wenigstens zufrieden sein. Ihr Mann Phillip verdient
gut, sie haben eine tolle Wohnung und sie arbeitet ehrenamtlich im Museum.
Allerdings ist es nicht das Leben, was sie sich immer gewünscht hat. Sie wollte
selber malen, statt Besuchern fremde Gemälde zu erklären, und eine liebvolle
Ehe: „Wir küssten uns nicht zur Begrüßung oder zum Abschied, nicht mehr.“
(S. 18) Phillip ist ein Kontrollfreak: sie hat jung, schön und schlank zu sein.
Er schreibt ihr jedes Kleidungsstück, jede Mahlzeit, jede Aktivität vor.
Madeleine war immer passiv, fast schon unterwürfig, und als sie eine
Kunstlehrerin kennenlernt und selber wieder malen will, tickt Phillip aus. Wenn
sie „sein“ Leben nicht mehr will, könne sie sich ja scheiden lassen. Madeleine
muss sich klar werden, was eine Scheidung bedeuten würde. „Ich würde in meine Heimatstadt
zurückkehren müssen. ... um zwischen den Trümmern meines Lebens
herumzuspazieren und in meinem Versagen zu schmoren.“ (S. 50). Sie nimmt
sich eine Auszeit und fliegt zu ihrer Mutter. Beim Aufräumen des Dachbodens
entdeckt sie die Tagebücher ihrer Großmutter Margie.
Die hat 1924 ein
ganz ähnliches Problem. Mit Mitte 20 gilt sie als alte Jungfer, aber sie will
auf keinen Fall heiraten, sondern Schriftstellerin werden. Sie hat bereits erfolgreich
ein paar Gedichte und Kurzgeschichten veröffentlich, aber das zählt für ihre
Eltern natürlich nicht. Margies Chance auf ein eigenes selbstbestimmtes Leben
beginnt auf einer Reise nach Europa. Eigentlich soll sie ihre tyrannische jüngere
Cousine Evelyn auf einer Rundreise begleiten, aber diese setzt sich bereits auf
der ersten Station, in Paris, ab. Und plötzlich hat Margie Paris ganz für sich
allein – bis sie Sebastien kennenlernt ...
Ich bin mit Madeleine
lange nicht warm geworden. Sie war mir zu still, duldsam und wehleidig. Schon
vor ihrer Heirat hat sie immer nur gemacht, was ihre Eltern wollten, sich
danach Phillip untergeordnet und gibt jetzt ihrer Mutter für alles die Schuld.
Erst durch Margies Tagebücher erwacht sie wieder zum Leben. Sie merkt, wie
ähnlich ihre Ausgangslagen waren, nur dass Margie im Gegensatz zu ihr eine
Kämpferin war. Und als sie wieder zu malen beginnt findet sie auch den Mut, ihren
eigenen Willen durchzusetzen, ihren eigenen Weg zu finden. „... mein Leben hat in einer
Warteschleife gesteckt, bis ich es wieder aufnahm.“ (S. 283) In einem
hatte ihre Mutter nämlich Recht: „Was Dich von Deinem Glück abhält, ist nicht
Deine Lage ... Das bist Du selbst.“ (S. 337)
Margie hingegen war
mir von der ersten Zeile an sympathisch – eine unangepasste junge Frau, die
eine eigene Kariere und nicht bloß Ehefrau sein will. Sie ergreift jede sich
ihr bietende Chance, trotz ihrer Versagensängste. Gegen den Willen ihrer Eltern,
ohne deren Unterstützung sucht sie sich ein Zimmer, einen Job und findet sauch
noch die Liebe. Und Paris wird immer kleiner, je länger sie da ist. Margie ist
glücklich – das erste Mal im Leben! „Das Zimmer gehörte ihr, Paris gehörte ihr,
diese Leben gehörte ihr, endlich gehörte ihr Leben ihr.“ (S. 181)
Ausnehmend gut hat
mir auch das Setting des Buches gefallen. Sehr anschaulich schildert Eleanor
Brown die Lebensumstände der beiden Frauen. Ich habe mit Madeleine in ihrer
kahlen Designerwohnung gefroren und hab im Garten ihrer Mutter den Rasen spüren
und die Rosen riechen können. Und auch Paris wird bei den Schilderungen
lebendig. Ich erinnere mich an meine Lieblingsplätze, erkenne sie wieder und
schwelge in Erinnerungen. Das überbordende Leben der 1920er Jahre, die
Künstlerszene, Margies Freunde – ich hätte das alles gern selbst erlebt. Aber
halt, ich war ja mittendrin ...
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