von Paul M. Belt
Der Baumrader Bergriese
Der
Baumrader Bergriese stand schon immer da. Jedenfalls behaupteten dies die Leute
aus dem Dorf. Das Dorf hieß Baumrade, doch einen richtigen Berg gab es hier
nicht. Aber so klein war die Anhöhe auch nicht und für die Kinder war es schon
ein richtiger Berg. Und die große, vierstämmige Rundeiche war denn auch ein
echter Riese: Groß und mächtig wirkte sie so ganz allein auf dem Hügel. Niemand
konnte sagen, warum es in der ganzen Umgebung nur diesen einzigen Baum gab. So
nutzten die Kinder den Baum zum Klettern: Im Sommer bot die Baumkrone idealen
Sichtschutz - hatten die Eltern die Kletterei aufgrund der Gefahren doch
verboten!
Doch eines
besonders schwülen Sommertages zog ein heftiges Gewitter auf, ein Blitz fuhr mitten
in den Baum, der Feuer fing und verbrannte. Nur noch Reste blieben übrig, die
Kinder weinten vor Trauer vor ihrer "Riesin". Doch es half nichts:
Der Baum war tot! Im Winter trauten sich die Kinder noch nicht einmal, den
Abhang des Hügels zum Sledfahren zu nutzen, noch immer trauerten sie um ihren
Baum.
Der
Frühling kam und die Kinder trauten sich nicht mehr zum Bergriesen, der ja nun
keine Blätter mehr trug. Nur eines ging den Hügel hinauf und streichelte noch
einmal den Stumpf des Baumes. "Aahhhhhhh ...", ertönte es
dunkel und mit tiefer Stimme, kaum vernehmbar. Das Kind schrak zurück.
"Wer spricht da?", wisperte es. "Waartee aab",
erklang die Stimme erneut, "waartee aab uund schaauuee!", und
verstummte für immer. Tatsächlich sah das Kind nun, dass rund um die Eiche
gleich mehrere zarte Eichentriebe emporkamen. Die Eiche hatte all ihre Blüten
durch den Sturm vor dem Gewitter mit ihrem Pollen bestäuben können, die Samen
waren rund um die Eiche auf dem Hügel zum Erliegen gekommen. Der Regen während
des Gewitters hatte die Samen in die Erde gedrückt und bewässert, der alte Baum
selbst hatte den Dünger dazugegeben.
Nachdem
sich dieses Wunder herumgesprochen hatte, kamen alle Kinder zusammen,
bestaunten die vielen neuen Triebe und wussten, dass ihre Kinder wieder mit den
Kindern ihres Baumrader Bergriesen spielen können würden.
(Lex
Bahlonak, Rengat der Loge der Espenreiter zu Hohenwarte)
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