Mittwoch, 3. Oktober 2018

Die geheime Bibliothek von Daraya. Über die Macht der Bücher in Zeiten des Krieges


„Silmiye, silmiye…

 
von Delphine Minoui
 Gebundene Ausgabe: 232 Seiten
Verlag: Benevento (Oktober 2018)
ISBN: 9783710900426
Genre: Sachbuch


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Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.








…friedlich, friedlich.“ (S.48) Diese Parole wiederholen Ahmad und ein Großteil der Rebellen von Daraya bei jeder Versammlung. Friedlich soll der Widerstand gegen das Assad-Regime bleiben, auch wenn in Daraya die Lebensumstände immer schwieriger werden, seit die Stadt von der Außenwelt abgeriegelt wurde. Wie Damaskus verlauten lässt, will man die Terroristen endgültig in die Knie zwingen. Doch sind die eingeschlossenen Bewohner wirklich Terroristen?

Als die französische Journalistin Delphine Minoui von einer geheimen Bibliothek in der belagerten Statdt Daraya hört, wird sie neugierig, recherchiert und es gelingt ihr tatsächlich via Internet und WhatsApp mit den Gründern der Bibliothek Kontakt aufzunehmen. In den nächsten Monaten erhält sie durch Ahmad und andere junge Männern Einblicke in deren Leben, die widrigen Umstände unter denen sie ausharren und leben und natürlich erfährt sie, wie die Bibliothek entstand und welche Bedeutung die Bücher für die verbliebenen Bewohner von Daraya haben.

„Bücher beherrschen nicht. Sie geben. Sie schränken nicht ein. Sie erweitern den Horizont.“ (S.27)


Ich muss gestehen, dass ich bis zur Lektüre dieses Buches keine Ahnung hatte, wo Daraya liegt, geschweige denn, wie die Zustände in der Stadt sind. Das, was ich gelesen habe, hat mich erschreckt, bewegt, nachdenklich gemacht und teils tief beeindruckt. Zum Beispiel, dass in jedes Buch, welches die Gründer der Bibliothek aus zerstörten Häusern geborgen haben, fein säuberlich der Name des eigentlichen Besitzes notiert wurde, damit jeder nach Kriegsende sein Eigentum finden und zurückerhalten kann. Besonders angesichts der bedrohlichen Lebensumstände, war ich beeindruckt davon, dass es selbstverständlich war, an die anderen zu denken.

Auch wenn es die Bibliothek inzwischen leider nicht mehr gibt, da sie nach der Zwangsräumung der Stadt 2017 geplündert wurde, lässt Delphine Minoui sie noch einmal auferstehen. Einige Fotos aus der Bibliothek, der Stadt und Aufnahmen von ihren Gesprächspartnern, ergeben ein zusätzliches Bild.

Neben den vielen Informationen über Daraya, gab es auch ein paar Einblicke in das Leben der Autorin, die 1997 an der CELSA Paris promoviert hat und derzeit in Istanbul lebt. Sie arbeitet unter anderem für bekannte französische Zeitungen und wurde 2006 für ihre Reportagen mit dem wichtigsten französischen Journalistenpreis - Albert-Londres-Preis – ausgezeichnet. Mir hat besonders gefallen, dass ihr Buch kein nüchterner Bericht ist, sondern mit vielen Emotionen ein Bild zeichnet, das wir so aus den Medien eher nicht kennen. Man merkt beinahe jeder Zeile an, dass sie zu Ahmad, Hussam, Ustaz, dem Lehrer, zu Shadi, der nirgends ohne seine Kamera hingeht, und auch zu ihren anderen Kontakten eine teils tiefe Zuneigung aufgebaut hat. Sie leidet mit ihnen, macht sich Sorgen, wenn sie länger nichts hört.

Je länger ich beim Schreiben dieser Rezension über das Buch nachdenke, desto mehr Begebenheiten fallen mir ein, die ich gerne unterbringen würde, doch das würde wohl den Rahmen sprengen. Daher kann ich jedem raten, der auch nur das geringste Interesse am Thema verspürt, lest selbst, wie die Rebellen zwischen Fassbomben, zunehmendem Hunger, Napalm und Sarin immer noch das Bedürfnis haben, sich in der Bibliothek zu treffen, zu diskutieren und zu lesen - ihren Raum der Freiheit zu genießen.

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