Dienstag, 26. März 2019

Zum Glück gibt es Umwege




ISBN : 9783810530523
Fester Einband : 400 Seiten
Verlag : FISCHER Krüger
Erscheinungsdatum : 27.03.2019
Genre : Roman
 
 
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG)
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
 



Der Camino geht Dich.

Schon seit über 1000 Jahren pilgern Gläubige und Ungläubige nach Santiago de Compostela. Inzwischen gehen jährlich um die 300.000 Menschen den Camino. Dabei geht es längst nicht mehr allen um das Vergeben der Sünden, es scheint viel eher eine neue Art der Selbstfindung und des Auslotens seiner Grenzen zu sein.
Nicht erst seit „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling bin ich ein großer Fan des Pilgerns, denn auch viele historische Romane beschäftigen sich schon länger mit diesem Thema. Ich möchte den Jakobsweg auch irgendwann gehen, kreuze den sächsischen Abschnitt regelmäßig beim Gassigehen. Aber im Gegensatz zu Martin und Zoe, den beiden Hauptfiguren in „Zum Glück gibt es Umwege“, fehlt mir bisher noch der finale Anstoß.

Zoe und Martin sind gerade in einer Sinn- bzw. Lebenskrise. Sie ist frisch verwitwet und will in Cluny ihre ehemalige Studienfreundin Camille besuchen, da fällt ihr in einem Antiquitätengeschäft eine sehr ungewöhnliche Pilgermuschel auf. „Zoe, diese Muschel wird nach Santiago gehen. Und wenn sie Ihre Reise beenden, werden sie finden ... was sie verloren haben.“ (S. 41). Obwohl es nie geplant war und sie weder die passende Ausrüstung noch genügend Geld hat, schafft sie sich eine kleine Grundausstattung an und läuft einfach los.
Martin wurde von seiner Frau betrogen und ist frisch geschieden. Er unterrichtet in Cluny Studenten und hat mit ihnen einen Wanderkarren für Pilger entwickelt, die ihr Gepäck nicht auf dem Rücken tragen können. Er geht die Reise wissenschaftlich an und will beweisen, dass der Karren wirklich funktioniert, denn er sucht einen Investor für die Serienproduktion.

Ich fand es sehr spannend, dass durch die beiden Hauptprotagonisten der Camino immer aus mindestens zwei Sichtweisen geschildert wird. Dazu kreuzt Bernhard mehrfach ihren Weg – ein junger Mann, welcher vor allem das Leben zu lieben scheint und sich fordernd und frech ungefragt in das Leben anderer einmischt.
Sie alle gehen zwar den gleichen Weg und treffen oft auch die gleichen Leute, machen aber nicht die gleichen Erfahrungen mir ihnen. Dass man seine Umgebung unterschiedlich wahrnimmt und es verschiedene Sichten auf die gleichen Dinge gibt, vergisst bzw. verdrängt man im Alltag oft – auf dem Camino hingegen wird es nur zu deutlich.

Als Zoe losläuft, glaubt sie noch den plötzlichen Tod ihres Mannes verarbeiten zu müssen, dabei gehen ihre Zweifel und Sorgen tiefer, reichen viel weiter in ihre Vergangenheit zurück. Erst nach und nach gesteht sie sich ein, was sie all die Jahre verdrängt hat. Außerdem muss sie sich klar werden, wo, wie und wovon sie in Zukunft leben will.
Martin meint, den Camino nur zu gehen, damit er am Ende seinen Karren an den Meistbietenden verkaufen kann. Aber seine Scheidung hat die Beziehung zu seiner Tochter sehr belastet und es gelingt ihm nur schwer, sich ihr wieder anzunähern.
Zoe und Martin sind sehr verschieden. Sie laufen den Weg nicht zusammen, treffen sich aber zwangsläufig (und manchmal auch geplant) immer wieder. Zwischen ihnen entwickeln sich zarte Bande und man hat das Gefühl, dass das zwischen ihnen was fürs Leben werden könnten. Aber sie kommen aus verschiedenen Teilen der Welt. „Also stehen wir beide in der Mitte unseres Lebens vor einem Neuanfang. Werden wir mutig sein oder einfach wieder das machen, was wir immer gemacht haben.“ (S. 273)

Man merkt dem Buch an, dass Grame Simsion und Anne Buist den Camino selbst gewandert sind und sie beim Schreiben eigene Erlebnisse einfließen ließen – das Leben ist manchmal nämlich noch viel verrückter als die Fantasie. Sie haben einen sehr angenehmen Erzählstil, ihre Beschreibungen der Pilger und des Weges haben die Bilder in meinem Kopf lebendig werden lassen.
Besonders gefiel mir das Zusammengehörigkeitsgefühl der Pilger untereinander, welches immer wieder beschrieben wird. Man hilft sich, teilt das Essen, die Unterkunft und vor allem die Erfahrungen. Das hat mich beeindruckt.

Zum Glück gibt es Umwege“ hat mich zum Schmunzeln und vor allem zum Nachdenken gebracht. Was ist wirklich wichtig, wo komme ich her und wo will ich hin. Vor allem aber hat es mich in meinem Vorsatz bestärkt, den Camino auch eines Tages zu laufen.

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