ISBN : 9783471360040
Fester Einband : 416 Seiten
Verlag : List Verlag
Erscheinungsdatum : 30.08.2019
Genre: RomanBuch kaufen
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Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Das seltsame Fräulein
Berlin 1919: Lili
ist sechs Jahre alt, als ihre Mutter stirbt und ihr Vater die Hilfe seines
Freundes Takeshi bei ihrer Erziehung annimmt. Takeshi ist Halb-Japaner / Halb-Chinese
und wurde von Jesuiten aufgezogen. Sowohl Takeshi als auch Alexander, der Name,
den Jesuiten ihm gegeben haben, bedeutet Beschützer. Als solcher sieht er sich
fortan für Lili, sie wird zu seiner Bestimmung. Er bringt ihr die Teezeremonie,
Kalligraphie und Zen bei, bildet ihren Geist und weckt die Sehnsucht nach der
Schönheit bzw. Perfektion der Dinge.
Lilis Vater ist
nicht praktizierender Jude und besinnt sich nach dem Tod seiner Frau, einer
Christin, auf seinen Glauben, will ihn auch Lili nahebringen. Doch der Rabbi
macht ihm klar, dass Lili keine Jüdin ist – weil ihre Mutter keine war.
Lili ist jetzt
also Halbwaise, halb Christin, halb Jüdin, halb Europäerin und halb Japanerin,
durch Takeshis Erziehung. Sie fühlt sie nie als Ganzes. Immer nur halb. Über
den Tee (ihr Vater betreibt einen Teehandel) beginnt sie sich auch für
Porzellan zu interessieren und lässt sich als Porzellanmalerin und Töpferin
ausbilden.
Fast 70 Jahre
später ist Takeshi verstorben und Lilis Sohn findet, dass sie eine
Gesellschafterin braucht. An zwei Nachmittagen in der Woche besucht Anja sie. „Anja. Na ja. Ein Name wie ein Achselzucken.“
(S. 22) Anja steht kurz vor ihrem Abitur und die Ehe ihrer Eltern vor dem Aus.
Sie ist ein Punk, entspricht nicht der Norm und hat selber große Probleme, die
sie (noch) sehr gut verbirgt.
Das Innere von Lilis Haus
erinnert Anja an ein Museum für Moderne Kunst. Und die Porzellanskulpturen, die
Lili herstellt, gefallen ihr sofort. „Töpfern Sie, damit etwas von Ihnen bleibt?“
„Nein, ich töpfere, damit es mich überhaupt gibt.“ (S. 237)
Auch der japanische Garten
mit dem Teehaus beeindruckt sie. Anja begreift schon beim Kennenlernen: „ ... sie
braucht gar keine Gesellschafterin. Stattdessen benötigt sie eine Zeugin. Für
all die Dinge, die sie erlebt hat. Und die sie sonst niemandem erzählen kann
oder will.“ (S. 31)
Tom Saller hat mich wieder
überrascht. Wie schon in „Wenn Martha tanzt“ ist sein Schreibstil wieder sehr
poetisch, sehr ruhig und trotzdem fesselnd. Er erzählt eine Geschichte von
Suchenden – nach ihren Wurzeln, nach ihrer Zukunft, nach ihrem Selbst, nach
ihrer Ganzheit, denn sie alle fühlen sich verloren. Geeint werden sie durch den
Tee und Porzellan. Durch Takeshi lernen sie die japanische Höflichkeit – Lili
scheint im Alter eine Meisterin darin zu sein. Sie sagt sagt Dinge nicht direkt, lässt Sachen
weg, oder umschreibt sie bzw. antwortet mit einem Gleichnis. Das ist für Anja
und den Leser zu Beginn zwar ungewöhnlich, macht aber auch den besonderen Reiz
des Buches aus.
Nach und
nach erzählt Lili ihre Geschichte, eng verbunden mit der Geschichte Berlins in
der 20er Jahre, bis sie vor den Nazis fliehen musste. Auch hier hält sich Tom
Saller an seinen Stil, mit nur kleiner Andeutungen der Grausamkeiten der
Nazizeit verrät er alles.
Zudem
geht er auf die Entwicklung der Staatlichen
Porzellan-Manufaktur und einer ganz besonderen Schale von König Friedrich ein,
mit einer Blüte in „in Lila gehendes ersterbendes Blau“. Diese Schale wird auch
Lilis Schicksal.
Noch nie hat mich ein Buch so
geerdet und gleichzeitig berührt wie dieses!
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