ISBN : 9783764506858
Fester Einband : 480 Seiten
Verlag : Blanvalet
Erscheinungsdatum : 23.09.2019
Genre : Historischer Roman
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG)
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Der
goldene Käfig
„Maria
brauchte lediglich Verstand und Begabung. Gutes Licht und etwas Chemie. Und sie
brauchte jemanden, der im richtigen Moment auf den Auslöser drückte.“
(S. 17) Noah Gintzburg, der jüdisch-französische Fotograf erwischt 1937 genau diesen
Moment und macht Mary Mer – so ihr Künstlername – berühmt. Dabei wollte er sie
eigentlich abweisen, es wäre zu gefährlich, in dieser Zeit aufzufallen. Zudem
ist Maria Reimer erst 17 und ihr Vater strikt dagegen. Als Tochter aus gutem
Haus liegt ihre Arbeit nur im Haushalt – doch auch die wird von einer
Haushälterin erledigt. Sie fühlt sich gefangen in einem goldenen Käfig. Und sie
kann Noah nicht vergessen. Doch dann bricht der Krieg aus und sie erlebt Dinge,
über die sie im Leben nie wieder reden will. Bis ihre Enkelin Sabine nach dem
Tod ihres Großvaters Heinrich unter einem Teppich im Wohnzimmer sehr viel Geld
findet. Maria ist entsetzt „Das darf nicht wahr sein! Das kann er nicht
getan haben!“ (S. 32) und sucht weiter, im Keller finden sie Goldbarren
…
Annette
Wieners hat in „Das Mädchen aus der Severinstraße“ einen Teil ihrer Familiengeschichte
verarbeitet. Auch ihre Großmutter hat nach dem Tod des Mannes im Haus versteckte
Schätze gefunden. Wo hatte er sie her und warum hat er sie versteckt?
Genau
diese Frage stellt Sabine Maria, doch diese will nicht darüber reden: „...
es zerreißt mich, verstehst du das nicht, es tut mir nicht gut, daran zu
denken.“ (S. 103) Der Gedanke, dass es Nazigold sein könnte, ist
schnell geboren, als Sabine die Firma googelt, in der Heinrich früher
gearbeitet hat. Sie stolpert über immer mehr Ungereimtheiten, wie die Wohnung
in der Severinstraße in Köln, in der Heinrich angeblich bis zu seiner Berentung
gelebt hat, dabei ist sie nach dem Tod ihrer Mutter bei ihren Großeltern im
Haus in Forsbach aufgewachsen. Sie waren immer für sie da, haben ihr ein Heim,
eine Heimat gegeben. Ist ihre Vergangenheit eine einzige Lüge? Und was bedeutet
das für ihre Zukunft?
Maria
wird durch den Fund gezwungen, sich zu erinnern, sich den Schatten ihrer
Vergangenheit zu stellen. Die Erlebnisse der Nazi-Zeit in Köln haben sie tief
geprägt. Sie hat damals gegen jede Vernunft versucht, ihre Menschlichkeit zu bewahre,
den Schwächeren und Ausgestoßenen zu helfen und damit ihr eigenes Leben und das
ihrer Familie und Freunde aufs Spiel gesetzt. „Ihr Vater litt an der
Welt, und er litt vielleicht, genau wie Maria, daran, keinen Rat mehr zu
wissen.“ (S. 114) Die Suche nach Noah, der damals plötzlich verschwand,
hat sie nie losgelassen.
Ihre
Emanzipation vom jungen unbedarften Mädchen, das unbedingt berühmt werden will,
zur taffen Frau, die den Nazis mutig begegnet und sie intelligent austrickst und
geschickt für ihre Zwecke einspannt, hat mir sehr gut gefallen.
Annette
Wieners erzählt die Geschichte auf zwei Zeitebenen, bestehend aus Marias
Vergangenheit und ihre Erinnerung daran bzw. Sabines Nachforschungen. Einmal
angefangen, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Geschickt spielt sie dabei
mit den Erwartungen des Lesers und hält die Spannungskurve bis zum Schluss.
Ich
wusste bisher nicht, dass Köln im 18. Jahrhundert französisch war, die Nazis die
Stadt in eine der ersten Hochburgen verwandelt haben und wie viele Unternehmen
und Unternehmer nach Kriegsende einfach weitmachen durften. Ich habe mir auch
nie Gedanken über die Mode im Deutschen Reich gemacht (ausländische Couture war
ja verboten). Annette Wieners hat mir die Augen geöffnet. Mehr dazu erfährt man
übrigens auch in ihren Podcasts.
Mein
Fazit: Spannende Kölner-Zeitgeschichte, die zum Nachdenken anregt – ein Aufruf zu
mehr Menschlichkeit. Annette Wieners hat mich überzeugt, ich hoffe, dass sie
weitere historische Roman schreibt. #gegendasvergessen
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