ISBN : 9783423262262
Flexibler Einband : 480 Seiten
Verlag : dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum : 25.10.2019
Genre : Historischer Roman
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG)
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Winter-Frauen
„Uns verband
etwas, dass man nicht auf den ersten Blick erkennen konnte. Wir waren Ausreißerinnen.
Wir liefen gerne weg. Auch vor uns selbst. Aber, und das war die große Frage,
kamen wir auch an?“ (S. 470)
Maya ist die
vierte Generation der Winter-Frauen. Sie wird bald 30 und hat ihre Ziele – Karriere,
Mann, Kind – noch nicht erreicht. Von ihrer Mutter Paula trennen sie Welten.
Diese ist genauso ein Freigeist wie Urgroßmutter Lisette es war. Maya hingegen ist
das ganze Gegenteil. „Ein bisschen zu brav, ein bisschen zu ängstlich.
Ein bisschen zu langweilig?“ (S. 73) Durch ihren Lebensgefährten
Yannick findet sie zu den Urban Explorers, die Lost Places suchen und
fotografieren. Maya ist von den Seelen der verlassenen Häuser fasziniert. Statt
Fotos zu machen, denkt sie sich Geschichten dazu aus. Von ihrer eigenen Familiengeschichte
weiß sie so gut wie nichts, aber sie kann sich an ein verwunschenes Sommerhaus
erinnern, das Lisettes Familie gehörte und aus dem diese damals regelrecht geflohen
war. „Ich hatte immer das Gefühl, dass uns etwas fehlte. Dass es so wenig
Geschichten gab und so viel Schweigen …“ (S. 15). Als sie das Haus zum ersten
Mal betritt weiß sie, dass sie endlich mehr erfahren will. Sie bittet ihre
Mutter Paula und ihre Großmutter Charlotte, ihre Erinnerungen mit ihr zu teilen.
Als erstes bekommt sie DAS moosgrüne Kleid, wegen dem sich Lisette damals in
Emile verliebte „In diesem Kleid fand sie die schönste Version ihrer
selbst.“ (S. 177) …
1906: Lisettes Vater
hat eine erfolgreiche Baufirma und ihre Mutter liebt es, zu repräsentieren. Die
beiden älteren Brüder sind deren ganzer Stolz, nur sie selbst kann es ihnen nie
recht machen. Sie ist zu ungestüm, ungeduldig, unweiblich, will genau wie ihre
Brüder zur Schule gehen und einen Beruf ausüben dürfen: „Ich würde mir
gern Kleider ausdenken … in denn man sich bewegen kann und in denen man kein
Korsett braucht. … Oder ich würde gern Gärtner werden und immer draußen sein.“
(S. 93). Als Emile in das Haus der Familie kommt um ihnen eine neue Garderobe
zu schneidern, nimmt sie ihren Mut zusammen und zeigt ihm ihre Kleiderentwürfe.
Er findet die Skizzen – und Lisette – toll, versteht sie und zeigt ihr, wie sie
sie umsetzten kann. Sie verlieben sich und Lisette verlässt mit und wegen ihm
ihre Familie, lässt den goldenen Käfig hinter sich. „Wo wir herkommen,
ist doch egal. Wir haben die gleichen Träume! Das ist alles, was zählt.“
(S. 164)
Astrid Rupperts
erzählt die Geschichte einer ungezähmten jungen Frau, die gegen ihre Familie
und die damaligen Normen rebelliert. Sie will frei sein, leben und lieben können
wen sie will. Und sie will arbeiten, will die Frauen aus den starren Korsetts
und vorgezeichneten Leben befreien. Zusammen mit ihrer großen Liebe Emile wählt
sie eine ungewisse Zukunft, eröffnet ein kleines Schneideratelier. Sie hat die
Visionen und liefert die Ideen, er setzt sie um. Bald kaufen berühmte Schauspielerinnen
und Gräfinnen ihre Reformkleider. Sie können Näherinnen einstellen und müssen
anbauen. Ihre anfängliche Angst, dass ihre Familie sie doch noch zurückholt und
mit dem Mann ihrer Wahl verheiratet, erweist sich als unbegründet – lieber schweigt
man sie tot, um den befürchteten Skandal zu vermeiden. Auch ihre später
versuchte Wiederannäherung gelingt nicht. Und dann kommt der Krieg und
verändert alles.
Die Frauen der
Familie Winter sind sehr verschieden und haben trotzdem etwas gemeinsam – sie alle
haben nie geheiratet und wollen ganz anders sein als ihre Mütter, ihr Leben
anders gestalten und sich abgrenzen. Dass sie dabei deren Fehler wiederholen,
wird ihnen nicht klar.
Ich habe Lisette
von Beginn an gemocht und mit ihr mitgefühlt. Ich habe sie dafür bewundert,
dass sie sich aus Enge des Lebens befreien konnte, welches ihre Mutter für sie geplant
hatte. Sie ist eine sehr starke und kreative Persönlichkeit, aber auch von
Selbstzweifeln geprägt. Emile hilft ihr und fördert sie, ohne ihr etwas
vorzuschreiben oder sie einzuengen. Sie bilden eine perfekte Symbiose und Lisette
kann sich nicht vorstellen, ohne ihn zu sein. Er ist die einzige, größte Liebe
ihres Lebens. „Alles was ich bin und sein will, kann ich doch nur bei dir
sein.“ (S. 191)
Schon früh beschäftigt
sich Lisette mit der Gleichberechtigung und fördert immer wieder die Frauen aus
ihrer Umgebung, indem sie ihnen Festanstellungen in ihrem Atelier gibt, was damals
unüblich war.
Astrid Rupert hat
mit ihr und den anderen Protagonisten sehr lebendige und glaubhafte Charaktere
geschaffen. Zudem beschreibt sie die Lebensumstände und örtlichen Gegebenheiten
sehr bildlich. Ihr Erzählstil ist sehr mitreißend und emotional.
„Leuchtende
Tage“ ist der Auftakt einer Trilogie. In den nächsten Bänden geht es um
Charlotte und Paula, aber ich würde gern auch noch mehr über Maya erfahren. Bisher
zweifelt sie noch sehr an sich und ist darin Lisette ähnlich, ohne deren Mut
zur Veränderung. Aber da sie jetzt verstanden hat, dass sie sich in ihrem Leben
nur eingerichtet hat, es aber nicht lebt, kann sie die Situation ja ändern.
Meine Leseempfehlung
für alle, die tiefschürfende, mitreißende und emotionale Familiengeschichten mit
starken Frauen mögen!
#dieschönsteversionmeinerselbst
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