ISBN : 9783499004278
Flexibler Einband : 400 Seiten
Verlag : ROWOHLT Taschenbuch
Erscheinungsdatum : 16.06.2020
Genre : Historischer Krimi
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG)
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
Starker Auftakt
Berlin 1922: Hulda Gold ist schon 26,
unverheiratet und Hebamme im Bülowbogen im Stadtteil Schöneberg. Eine ihrer
Schwangeren sorgt sich, weil ihre Nachbarin Rita (eine Säuferin und Hure) tot
im Landwehrkanal gefunden wurde für die Polizei schon feststeht, dass es
Selbstmord war. Hulda wiegelt ab, aber als sie den zuständigen
Kriminalkommissar Karl North kennenlernt und hat sie auch das Gefühl, dass der
in dem Fall gar nicht ermitteln will. Als sie erfährt, dass Rita Streit mit
ihrem Zuhälter und ihm mit seiner Vergangenheit gedroht hatte, begibt sie sich
selber in die Berliner Unterwelt und damit in Gefahr …
„Fräulein Gold: Schatten und Licht“ ist
der Auftakt der Trilogie um die Hebamme Hulda Gold und den Kriminalkommissar
Karl North und hat mich von Beginn an gefesselt. Es ist eine Symbiose der
Hebammensaga von Linda Winterberg und der Gereon-Rath-Reihe von Volker
Kutscher. Man erfährt viel über die Arbeitsweise der Hebammen, bekommt man
einen guten Einblick in die Polizeiarbeit, die politischen Entwicklungen und
das Erstarken der Nationalsozialisten.
Autorin Anne Stern lässt das Berlin der
20er Jahre lebendig werden. Sie zeigt einerseits die Wunden, die der Krieg in
die Stadt und ihre Bevölkerung gerissen hat, den täglichen Kampf ums Überleben,
Frauen, die arbeiten gehen oder sich prostituieren müssen, hungernde
Waisenkinder und andererseits das wilde Nachtleben mit Jazz, Alkohol, Koks und
schnellen Sex mit Fremden – die vielen Varianten, wenigstens kurz den Krieg,
Alltag, Hunger und die Sehnsüchte zu vergessen. Die Zeit ist schnelllebig und
gefährlich. „Berlin war ein einziger Reigen aus Vergnügungen, Champagner
und Zügellosigkeit, aus irrlichterndem Glitzern, Drogen, körperlicher Liebe, so
viel man wollte. Doch am Ende bezahlte man immer dafür.“ (S. 317)
Anne Sterns Protagonisten haben Ecken
und Kanten, eine Vergangenheit.
Rita hat in einem Irrenhaus vor den
Toren Berlins gearbeitet. Lange war sie überzeugt, dass die Ärzte den Patienten
mit den zum Teil sehr ungewöhnlichen Behandlungsmethoden helfen wollen, aber
der Krieg und der Umgang mit den Versehrten und Kriegszitterern hat ihr die
Augen geöffnet.
Hilda ist mutig, dabei manchmal etwas
leichtsinnig, hilfsbereit, durchsetzungsfähig und lässt sich nichts verbieten.
Sie liebt ihre Arbeit und ist trotzdem oft unzufrieden, weil gern mehr für ihre
Patientinnen tun würde, aber nicht darf.
„Ich kann schlecht wegsehen, bin mit meinen Gefühlen immer gleich
dabei. Vielleicht hoffe ich, dass ich mich dadurch selbst erlösen kann.“
(S. 197) Sie hat eine gescheiterte Beziehung hinter sich, kann den Mann aber
immer noch nicht loslassen. Außerdem quälen sie nächtliche Albträume – ihre
Mutter war psychisch krank und sie hat Angst, wie sie zu werden.
Karl ist ein Einzelgänger und hat Angst,
dass jemand von seiner Herkunft erfährt, darum lässt er erst niemanden an sich
heran. Er wird die Dämonen seiner grausamen Kindheit im Waisenhaus nicht los.
Die Frage, warum seine Mutter ihn weggeben hat, ihn nicht lieben konnte, beschäftigt
ihn sehr, er fühlt sich in seinem Leben fremd. „Er würde sich, egal wie
hoch er die Karriereleiter noch emporsteigen würde, doch immer wie der kleine
Waisenjunge fühlen, während sein Assistent schon jetzt so selbstverständlich
auftrat, als gehöre ihm die ganze Welt.“ (S. 171) In Ritas Wohnung
entdeckt er etwas, was ihn erschrickt und vielleicht seiner Herkunft
näherbringen könnte – aber will er es wirklich wissen?
Hulda und Karl geraten bei der
Aufklärung des Falls immer wieder aneinander. Sie hält ihn für unfähig und
bequem, er sie für vorlaut, zickig und streitsüchtig. Und obwohl sie ihre
Nachforschungen getrennt anstellen, kommen sie letztendlich zum gleichen
Ergebnis. Zudem finden sie sich, geben das aber natürlich nicht zu.
Anne Stern schreibt sehr spannend,
farbenprächtig, mitreißend – einfach grandios. Ich bin begeistert und will
unbedingt wissen, wie es mit Hulda und Karl weitergeht, welche Fälle sie in
Zukunft aufklären werden.
2 Kommentare:
Liebe Tanja,
nun freue ich mich noch mehr auf den Roman, der hier schon bei mir liegt.
Ich kenne die Autorin bereits als Selfpublisherin und fand auch ihre anderen Romane sehr gut, die ich bereits lesen durfte.
Liebe Grüße
Martina
Liebe Martina,
ich kannte sie bisher noch nicht, werde mir ihr bisherigen Bücher jetzt aber mal anschauen.
Liebe Grüße
Tanja
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