Samstag, 16. Oktober 2021

Die Maskenbildnerin von Paris

 


ISBN : 9783746638317
Flexibler Einband : 442 Seiten
Verlag : Aufbau TB
Erscheinungsdatum : 20.09.2021
Genre : Historischer Roman
 
 
Werbung (gemäß §2 Nr.5 TMG)
Vorab Hinweis: Zwar wurde mir ein kostenloses Exemplar zur Verfügung gestellt, dies hat aber keinerlei Einfluss auf meine nachfolgende Meinung.
 


Zwischen Kunst, Krieg und Liebe

 

Was wissen wir eigentlich noch vom ersten Weltkrieg, von den grausamen Verletzungen, die die neuen Waffen und das Giftgas hinterlassen haben, von den Spätfolgen und Entstellungen, mit denen die Soldaten danach kämpfen mussten? Darüber erzählt Tabea Koenig in „Die Maskenbildnerin von Paris“ aus der Sicht einer jungen Frau und Künstlerin.

 

Valérie wird in eine Künstlerfamilie in Cherbourg hineingeboren, wächst behütet und privilegiert auf, erhält von ihren Eltern eine umfassende (Aus)Bildung. Sie will in Paris Malerei studieren und verlässt dafür sogar ihre Jungendliebe Gabriel, weil sie glaubt, sich zwischen Kunst und Liebe entscheiden zu müssen und auf keinen Fall das Leben einer Hausfrau und Mutter führen will.

Doch bald bricht der Krieg aus. Auch Gabriel muss an die Front und wird bald vermisst. Sie hofft lange auf seine Rückkehr, dass sie dann endlich ihre Beziehung wieder aufnehmen.

 

Als ihr Freund Apollinaire durch einen Granatsplitter an der Schläfe verletzt wird und mehrfach operiert werden muss, kommt sie zum ersten Mal näher mit den Kriegsversehrten in Berührung. Apollinaires Narbe wird später durch seine Haare verborgen werden, aber seine Mitpatienten sind z.T. extrem gezeichnet. Valérie will den Männern irgendwie helfen, am besten künstlerisch. Gertrude Stein stellt ihr Anna Coleman Ladd vor, die das amerikanische Rote Kreuz „Studio for Portrait-Masks“ in Paris aufbaut, um die Masken für die Versehrten herzustellen und ihnen eine Anlaufstelle zu bieten, in der der sie ganz normal behandelt, nicht entsetzt angestarrt oder bemitleidet werden. Valérie findet in der Arbeit mit ihnen ihre Erfüllung und verliebt sich in einen Patienten – den Soldaten Louis. Doch als es ernster zwischen ihnen wird, droht ihr größtes Geheimnis aufzufliegen …

 

Tabea Koenig schreibt sehr anschaulich und mitreißend, lässt historische Bezüge und Persönlichkeiten oder die Eigenschaften der Protagonisten fast spielerisch in die Handlung einfließen. Neben Cherbourg wird auch Paris sehr stimmungsvoll wiedergegeben, man sieht die Boulevards und Cafés förmlich vor sich, sitzt mit den Künstlern am Tisch und genießt das Leben oder diskutiert über die Arbeit. Valérie ist eine von ihnen und mit den Großen ihrer Zeit auf Du und Du. Ich fande es immer wieder spannend, wenn ich einen berühmten Namen entdeckt und die Bilder oder Skulpturen sofort vor Augen hatte.

 

Die Schilderungen, wie der Krieg den Alltag verändert, sind sehr interessant und die beschriebenen Giftgasverletzungen erschreckend, aber ich fand es spannend, wie das „Problem“ der Prothetik gelöst und den Versehrten neue Hoffnung gegeben wurde. Die Anweisungen von Anna Coleman Ladd, wie die „Maskenbildner“ mit den „Kunden“ umgehen sollten – einerseits sehr professionell, andererseits aber auch nicht gefühllos – fand ich sehr gut. Es war sicher nicht leicht, die Balance zu halten. Besonders beeindruckt hat mich dabei Louis‘ mutiger Weg zurück ins Leben.

 

An dieser Stelle komme ich zu einem Kritikpunkt, der allerdings zu Lasten des Verlages geht. Ausgehend vom Titel und Klappentext hatte ich erwartet, dass es um die Masken der Kriegsversehrten geht, allerdings dreht sich das Buch vor allen um Valéries Leben, ihre dramatische Liebesgeschichte und die Entwicklung der Kunst- und Künstlerszene in den 1910er Jahren.


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